Biopics über Künstler*innen stehen seit Jahren unter dem Verdacht, weniger Geschichten über Kunst als vielmehr über Klischees zu erzählen. Es sind meist dieselben Stationen, die abgeklappert werden: das frühe Leiden, der Aufstieg, die Zweifel, das Triumphgefühl. Filme wie Better Man oder The Chronology of Water haben zumindest versucht, diesen ausgetretenen Pfad mit einer anderen Perspektive zu beleben. Doch wo andere Produktionen immerhin neue Wege andeuten, bleibt Springsteen: Deliver Me From Nowhere erstaunlich still – fast so, als wolle der Film gar nicht so recht wissen, was ihn eigentlich antreibt.
Regisseur Scott Cooper, der 2009 mit Crazy Heart eine der sensibelsten (fiktiven) Musikerchroniken des modernen Kinos schuf, konzentriert sich diesmal auf eine klar begrenzte Phase im Leben Bruce Springsteens: die frühen 1980er, als der Musiker mit dem Album Nebraska eine radikale Abkehr vom bombastischen Stadionrock wagte. Eine reizvolle Idee, die ein intimes Porträt verspricht – doch das Ergebnis bleibt merkwürdig leer. Statt den inneren Konflikt zwischen künstlerischem Drang und seelischer Dunkelheit greifbar zu machen, begnügt sich Cooper mit Andeutungen, die nie wirklich vertieft werden.
Jeremy Allen White, der hier vom The Bear zu The Boss wird, verkörpert Springsteen mit einer Intensität, die gelegentlich aufblitzt, aber selten ganz überzeugt. Er muss der Ikone optisch nicht ähneln, doch seine Darstellung bleibt zu sehr in schweigsamer Melancholie gefangen. Wenn er in langen Einstellungen in die Ferne blickt, sollen wir seine Zerrissenheit spüren – doch oft kippen diese Szenen ins Betuliche. Die Kamera scheint sich in sentimentalen Bildern zu verlieren, die den Schmerz illustrieren, aber nicht ergründen.
Immer wieder trifft Springsteen auf seinen Manager (wie gewohnt gut: Jeremy Strong), ringt um kreative Kontrolle, spricht über Authentizität. Doch die Gespräche bleiben formelhaft, fast steril. Das Drehbuch deutet vieles an – die Rastlosigkeit, die Selbstzweifel, den Wunsch, sich selbst zu entkommen –, findet jedoch keinen erzählerischen Rhythmus, um diese Facetten lebendig werden zu lassen. Stattdessen wirkt der Film, als würde er sich selbst zügeln, um bloß niemandem weh zu tun.
Gerade das aber wäre nötig gewesen: Mut zur Reibung. Springsteen war nie nur der ehrliche Arbeiterpoet, sondern auch ein Mensch, der mit sich und anderen kämpfte. Diese Spannung, dieses Ringen, das seine Musik so einzigartig macht, bleibt hier weitgehend ausgespart. Deliver Me From Nowhere will verständnisvoll sein, scheut sich aber vor emotionaler Wuchte, die aus dem Biopic ein echtes Charakterdrama machen könnte. Handwerklich ist das Werk makellos. Die Bilder sind sauber komponiert, das Sounddesign trägt die akustische Kargheit von Nebraska überzeugend in die Szenen. Doch die ästhetische Glätte steht im Widerspruch zum Thema. Wo man Schmutz, Reibung, Druck und seelische Unordnung erwarten würde, herrscht gepflegte Distanz. Cooper hat offenkundig Respekt vor seiner Figur – vielleicht zu viel, um wirklich ehrlich zu werden.
Am Ende bleibt ein Film, der viel verspricht, aber wenig wagt. Er ist angenehm anzusehen, aber selten berührend. Die Musik, wie könnte es anders sein, entfaltet ihre Kraft – sie erinnert daran, warum Springsteen zu den großen Erzählern der amerikanischen Seele gehört. Doch das Kino, das ihn hier zu erfassen versucht, bleibt blass. Springsteen: Deliver Me From Nowhere ist kein Desaster, sondern ein klassischer Fall von verpasster Gelegenheit: solide inszeniert, anständig gespielt, aber ohne emotionales Rückgrat. Wer den Boss liebt, wird in den Songs Trost finden – nicht aber in der Geschichte, die sie umrahmen soll.