Was lebt im Meer, hat acht Arme und ist riesengroß? Richtig, ein Oktopus im 50er-Jahre Science-Fiction-Kino. Ein ebensolcher ist es auch, mit dem wir es bei It Came from Beneath the Sea zu tun bekommen. Wobei: strenggenommen entspricht beides nicht ganz der Wahrheit. Erstens verfügt der Tintenfisch aus diesem im Jahr 1955 veröffentlichten Werk nur über sechs statt acht Extremitäten, er wäre also vielmehr ein "Hexapous". Und zweitens ließe sich der Film, wie so viele Werke dieser Art, ebenso gut dem Horrorgenre zuordnen. Aber sei’s drum. Inszeniert wurde Das Grauen aus der Tiefe (so der deutsche Titel) von Robert Gordon, den man evtl. für Werke wie Damn Citizen oder Tarzan and the Jungle Boy kennen könnte.
Ein wenig geläufiger dürfte, zumindest unter Science-Fiction-Fans mit Vorliebe für Streifen des „älteren Semesters“, der Name George Worthing Yates sein. Hat dieser doch an den Drehbüchern zu Werken wie Formicula, Earth vs. the Flying Saucers, Earth vs the Spider sowie einer ganzen Reihe anderer Sci-Fi-Streifen inklusive diesem hier mitgewirkt. Den mit Abstand größten Namen trägt allerdings jene Person, die sich für die Spezialeffekte verantwortlich zeigt. Denn dabei handelt es sich um niemand geringeren als Special-Effects-Legende Ray Harryhausen, der unter anderem die Kreaturen in Werken wie Panik in New York, Sindbads siebente Reise oder Jason und die Argonauten zum Leben erweckt hat und der auch diesen Film mit seiner Handwerkskunst ungemein bereichert. Aber genug der einleitenden Worte, werfen wir einen Blick auf die Handlung des Films.
In Das Grauen aus der Tiefe stößt ein neues, hochmodernes Atom-U-Boot bei seiner Probefahrt auf ein zunächst nicht zu identifizierendes Etwas von ungeheurer Größe, mit dem das Unterseeboot kurz darauf unfreiwillig auf Tuchfühlung geht. Als das enorme Etwas wieder verschwindet, bleiben Kommandant Pete Mathews (Kenneth Tobey, The Thing from Another World) und seine Crew ratlos zurück. Um der Sache auf den Grund zu gehen, werden mit John Carter (Donald Curtis, Spellbound) sowie Lesley Joyce (Faith Domergue, This Island Earth) zwei fachkundige Meeresbiologen zu Rate gezogen. Deren Untersuchungen ergeben alsbald, dass ein gigantischer Oktopus die See unsicher macht. Eine beängstigende Entdeckung, die ein schnelles Handeln erforderlich macht. Denn die Kreatur ist irgendwo da draußen und Menschenleben stehen auf dem Spiel.
Was den Plot von Das Grauen aus der Tiefe angeht, so wirkt dieser, insbesondere im Kontext des 50er-Jahre-Science-Fiction-Kinos, reichlich generisch. Es dürfte daher wenig verwundern, dass Atomversuche bzw. Atomwaffentests den Auslöser für das Auftauchen der furchterregenden Kreatur darstellen. Ein Motiv, das neben der Red Scare (die Angst vor kommunistischer Unterwanderung) zu den beliebtesten innerhalb des Science-Fiction-Kinos der damaligen Zeit zählte und in Werken wie Panik in New York, Formicula, Godzilla, Attack of the Crab Monsters, The Giant Behemoth oder Beginning of the End Verwendung fand. Die große Schwäche von Das Grauen aus der Tiefe ist jedoch nicht mangelnde Originalität, sondern schwaches Storytelling. Zum einen präsentiert sich die Figurenzeichnung schablonenhaft, wodurch es schwerfällt, eine emotionale Bindung aufzubauen. Und zum anderen lässt Gordons Film über weite Strecken hinweg Tempo sowie Dramatik vermissen, also exakt jene Elemente, die für das Erzählen einer spannenden Geschichte von zentraler Bedeutung sind.
Auch eine kritischere Auseinandersetzung mit den Themen Umgang mit Kernenergie bzw. wissenschaftlicher Verantwortung, wie sie beispielsweise in The Giant Behemoth oder Godzilla zum Tragen kommen, lässt Das Grauen aus der Tiefe vermissen. Dadurch verschenkt der Film die Chance sich ein wenig Tiefgang zu verleihen. Stattdessen bekommen wir die obligatorische Liebelei zwischen dem verwegenen Militärangehörigen sowie einer hübschen Meeresbiologin geboten. Ebenfalls ein Motiv, das wir so oder so ähnlich aus zahlreichen Filmen jener Zeit kennen. Und genauso wie bei vielen Genrekollegen stellt diese amouröse Nebenhandlung (obwohl daraus zugegebenermaßen ein paar amüsante Dialoge erwachsen) auch hier keine Bereicherung dar. Das, was Das Grauen aus der Tiefe am Ende des Tages dann aber doch noch vor dem Versinken im filmischen Mittelmaß bewahrt, ist die bereits eingangs erwähnte Beteiligung Ray Harryhausens.
Seine Fertigkeiten sind es, die Das Grauen aus der Tiefe nicht nur zur damaligen Zeit über Wasser hielten, sondern ihn auch aus heutiger Sicht noch sehenswert machen. Allerdings muss man etwas Geduld mitbringen. Zwar gibt es bereits im Vorfeld vereinzelte Szenen mit dem Oktopus in denen dieser z. B. ein Schiff versenken darf, aber so richtig in Aktion treten darf der gewaltige Kopffüßler erst knapp zwanzig Minuten vor Filmende. Eingeleitet wird das Finale durch eine ikonische Sequenz in der das maritime Monstrum, in Anlehnung an den 1933 veröffentlichen Filmklassiker King Kong, ein amerikanisches Wahrzeichen erklimmen darf. Bei King Kong war es das Empire State Building, in Das Grauen aus der Tiefe ist es die Golden Gate Bridge. Die Bilder wirken dabei wie eine respektvolle Verbeugung vor einem alten Freund. Denn hinter den Spezialeffekten von King Kong steckt Tricktechniker-Legende Willis H. O'Brien mit dem Harryhausen erstmals bei Panik um King Kong zusammenarbeitete und der für den damals noch jungen Harryhausen eine Art Mentor war.
Das Erklimmen der Golden Gate Bridge ist aber erst der zerstörerische Auftakt. Es werden Brückenpfeiler zermalmt, Mauerwerk zum Einsturz gebracht und Scharen von Menschen zum Flüchten veranlasst (wobei sich der Straßenverkehr von all dem lustigerweise wenig beeindruckt zeigt). Harryhausens Stop-Motion-Effekte sehen, gerade im Kontext der damaligen Zeit, hervorragend aus. In ihren Auftritten wirkt die monströse Kreatur daher ein gutes Stück lebendiger als das Schauspiel der beiden doch ein wenig hölzern agierenden HauptdarstellerInnen. Und das, obwohl für die Realisierung der Effekte deutlich weniger Budget zur Verfügung stand als es Harryhausen lieb gewesen wäre. Um Kosten zu sparen, entschied er sich deshalb dafür, nur sechs, statt acht Fangarme zu modellieren. Geschadet hat es dem Film nicht. Denn bei einem Einspielergebnis von ca. 1,7 Millionen USD, denen Produktionskosten von gerade einmal 150.000 USD gegenüberstehen kann man echt nicht meckern. Dem damals noch in Kinderschuhen steckenden Joe Dante (Gremlins) hat der Kinobesuch jedenfalls einen gehörigen Schauer über den Rücken laufen lassen.