8.2

MB-Kritik

Boulevard der Dämmerung 1950

Drama, Film-Noir – USA

8.2

William Holden
Gloria Swanson
Erich von Stroheim
Nancy Olson
Fred Clark
Lloyd Gough
Jack Webb
Franklyn Farnum
Larry J. Blake
Charles Dayton
Cecil B. DeMille
Hedda Hopper
Buster Keaton
Anna Q. Nilsson
H.B. Warner
Ray Evans

Inhalt

In Sunset Boulevard rechnet Billy Wilder eiskalt mit den Machenschaften Hollywoods ab. Ein Drehbuchautor beginnt eine Affäre mit einer Stummfilm-Diva, die sich noch immer auf der Spitze ihrer Karriere glaubt.

Kritik

Traumfabrik Hollywood, große Blockbuster, überlebensgroße Stars und dunkle Abgründe. Die Mühlen in Hollywood mahlen schnell, über Nacht kann man zum gefeierten Star aufsteigen, was viele dabei jedoch immer wieder vergessen ist, wie tief man dabei fallen kann. Zwischen glänzenden Fassaden und abgestandenem Schampus beleuchtet „Boulevard der Dämmerung“ die Kehrseite der Medaille. Billy Wilders („Zeugin der Anklage“) Film ist ein zynischer Blick hinter die Kulissen, ein Gegenentwurf zur oftmals völlig verklärten Außenwahrnehmung Hollywoods, und das, obwohl die Traumfabrik nicht einmal bemüht scheint ihre Abgründe zu verbergen. Das muss sie auch gar nicht, denn die Zuschauer sorgen schon selbst dafür, sie wollen sich von Glanz und Glamour blenden lassen. Doch nicht Wilder, er rechnet ab. So gekonnt, dass er pointiert kritisiert ohne plakativ zu werden und so universell, dass seine Aussagen noch immer brandaktuell ist.

Wilders Devise lautet Konfrontation, immer wieder vergleicht er zwei völlig unterschiedliche Welten und lässt dabei Meinungen und Ansichten aufeinanderprallen. Schon bei ihrem ersten Aufeinandertreffen könnten die Unterschiede zwischen Norma Desmond (Gloria Swanson, „Indiscreet“) und Joe Gillis (William Holden, „Die Brücke am Kwai“) unterschiedlicher nicht sein, sie ein ehemaliger Stummfilmstar, in ihrer heruntergekommenen Villa der Vergangenheit nachtrauernd und er ein junger Drehbuchautor, der seinen schuldbehafteten Wagen im Anwesen der scheinbar unbewohnten Villa versteckt. So trifft sich das ungleiche Duo zum ersten Mal, in ihrer konträren Erscheinung verkörpern sie auch ihre jeweiligen Epochen, sie den pompös überzeichneten Stummfilm und er das zeitgenössische Studiosystem. In gewisser Weise sind beide Sklaven ihrer Zeit, sehnen sich auf der einen Seite nach Anerkennung und Ruhm, auf der Anderen nach schnell verdientem Geld und einem leichten Leben. 

Ergänzt wird das zentrale Zweiergespann durch eine weitere Figur, Erich von Stroheim („Die große Illusion“) verkörpert den Hausdiener und ehemaligen Meisterregisseur Max von Mayerling. Zusammen ergeben sie auf einer symbolischen Ebene nicht nur die Dreieinigkeit aus Regisseur, Drehbuchautor und Schauspielerin, sondern funktionieren auch in ihrem mit- und gegeneinander ausgezeichnet. Das ist natürlich zu großen Teilen Wilders Drehbuch zu verdanken, in meisterlicher Perfektion bettet er seine Figuren in einen klassischen Film Noir und stützt das Drehbuch durch eine gekonnte Regie Auch wenn das Skript schon immer seine größte Stärke war, liefert er hier seinen inszenatorisch wohl eindrucksvollsten Film ab, geprägt von einer universell verständlichen Bildsprache und einer gleichermaßen glamourösen wie rätselhaften Atmosphäre.

Wilder lüftet den Vorhang, er offenbart einen Blick hinter die Fassade und damit direkt in die Mechanismen von Hollywood. Es ist ein System, in dem sich letztlich nur die Stärksten durchsetzen und in dem Aufstieg und Fall oftmals sehr nah beieinander liegen. Norma Desmond ist eines der zahlreichen Opfer dieses Systems, sie lebt in ihrer eigenen Welt, einer Welt in der sie noch immer der große Star von damals ist. Joe Gillis versucht indessen genau in dieser Welt Fuß zu fassen, doch sein Bestreben ist nicht mit Erfolg geglückt, erneut offenbaren sich hier die Gegenteile der beiden Figuren. So steuern sie beide, ohne es zu wissen, unaufhaltsam ihrem Schicksal entgegen, nicht mehr als kleine Staubkörne in den riesigen Mühlwerken des Systems.

Fazit

Es gibt unzählige Filme über Hollywood, und dennoch bleibt „Boulevard der Dämmerung“ bis heute einzigartig, in vielerlei Hinsicht unerreicht. Billy Wilders Blick auf die Traumfabrik ist ein zynischer, seine Kritik könnte treffender nicht sein, sie spiegelt sich in den feingliedrig ineinandergreifenden Mechanismen des Drehbuchs und der visuell durchdachten Bildkomposition wieder. Eine Abrechnung im Deckmantel des Film Noir, die es schafft ihre Charaktere als archetypische Symbole zu entwerfen und ihnen trotzdem eine erdrückende Portion Menschlichkeit einzuhauchen. Wilders Werk ist zeitlos und wird wohl für immer unvergessen bleiben, Kino in seiner reinsten Form.

Autor: Dominic Hochholzer
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