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Quelle: themoviedb.org

Inhalt

Um das Vertrauen des Drogendealers Victor zu gewinnen, muss der verdeckte Ermittler Robert vorgeben, Lenis Geliebte zu sein. Die Polizei hofft, dass deren frühere Beziehung zu Victor dabei helfen wird, die Organisation zu infiltrieren. Doch während dieser Teil des Plans relativ reibungslos funktioniert, ist ihre vorgetäuschte Beziehung von Anfang an schwierig. Leni ist transsexuell, und Robert war einst in ihr früheres Ich verliebt. Ironischerweise ist es der Drogenboss Victor, der Robert mit seinen widersprüchlichen Liebesgefühlen konfrontieren wird.

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Quelle: themoviedb.org

Kritik

Auf dem Papier stand die Berlinale 2023 ganz im Zeichen der Berliner Schule: Mit Christian Petzolds Roter Himmel, Angela Schanelecs Musik sowie Christoph Hochhäuslers Bis ans Ende der Nacht fanden sich gleich drei Filme im Wettbewerb der 73. Berlinale wieder, deren Filmemacherïnnen mehr oder weniger direkt durch die Lehre und Mentorschaft Harun Farockis geprägt sind; zudem schloss sich mit Valeska Grisebach eine weitere Vertreterin der Berliner Schule der internationalen Jury um Präsidentin Kristen Stewart an. Doch während Petzolds Roter Himmel weitgehend auf Liebe der Kritik und des Publikums stieß und Schanelecs auf das Minimale reduzierte Musik zumindest in avantgardistischen Kreisen positive Resonanz hervorbrachte, verhält es sich mit Christoph Hochhäuslers Bis ans Ende der Nacht doch merklich anders. Erstmals mit Drehbuchautor Florian Plumeyer (Alle wollen geliebt werden) zusammenarbeitend, begibt sich der gebürtige Münchner in seinem mittlerweile fünften Kinofilm in Genregefilde, die aber, so wird schnell klar, lediglich den Rahmen abstecken, innerhalb derer sich Hochhäusler den „eigentlichen“ Themen annähert.

Dass Hochhäusler sich um mehr bemüht als einen schlichten Krimi zu inszenieren zeichnet sich bereits noch vor unserer Bekanntmachung mit den groben Koordinaten der Geschichte ab. Während des Vorspanns sehen wir eine leerstehende Plattenbauwohnung, die im Zeitraffer durch eine kleine Gruppe von Menschen renoviert und eingerichtet wird. Dargestellt wird dieser Prozess in Schlierenbewegungen, die uns abwechselnd suggerieren, eine Bewegung, eine Geste, ein Moment könne festgehalten werden, und uns aufzeigen, wie schnell sie uns wieder entgleiten. Es ist eine Fragilität, die sich später in den Figuren ausdrückt und uns bis zuletzt daran zweifeln lässt, ob wir ihnen wirklich jemals nahegekommen sind.

Eingerichtet wird die Wohnung indes für Leni (gespielt von der mit dem Silbernen Bären als beste Nebendarstellerïn ausgezeichneten Thea Ehre (Luden: Könige der Reeperbahn)), eine inhaftierte Trans-Frau, die von der Oberkommissarin das mündliche Versprechen erhält, ihre Haftstrafe könne auf beträchtliche Weise reduziert werden, wenn sie mit der Polizei zusammenarbeite, um den Frankfurter Drogenboss Victor (Michael Sideris, Mein langsames Leben) zu überführen. Teil dieses Deals ist es, in die für sie hergerichtete Wohnung einzuziehen und dort, nach einer kleinen Einweihungsfeier, mit dem versteckten Ermittler Robert (Timocin Ziegler, Windstill) ein Paar zu spielen, um sich mit einem unscheinbaren Hintergrund langsam Victor anzunähern. Überraschenderweise stellt sich das Zusammenleben mit Robert schnell als die eigentlich heikle Mission heraus, verbindet sie mit diesem doch eine vergangene Liebelei vor ihrer Inhaftierung, zu einer Zeit, da sie sich selbst noch als Mann identifizierte – eine Veränderung, die Robert von Leni abstößt.

Das Drehbuchgespann Hochhäusler/Plumeyer zeigt sich durchaus bemüht, uns davon zu überzeugen, dass wir es hier mit Kino und nicht bloß einem generischen Fernsehkrimi zu tun haben, wie sie uns die deutsche Fernsehlandschaft zuhauf bietet. Auf der Plotebene spiegelt Hochhäusler Roberts Unfähigkeit, Leni als Leni – das heißt als Frau – zu lieben, mit den einschneidenden, doch nicht aufzuhaltenden Paradigmenwechsel innerhalb des Drogengeschäfts. Eine End-zu-End-Verschlüsselung sorge dafür, so erfahren wir an einer Stelle, dass die von Robert betriebene Website Verkäuferïnnen und Kundïnnen auf vollkommen anonymisierte Weise zusammenführe, was uns Victor als die Zeichen der Zeit verstehenden Plattformkapitalisten beschreibt. Die Gangster, die beginnen, Victor ob dessen Marktmacht anzugreifen, gehören einer anderen Generation an, die sich für den Wechsel ins Digitale augenscheinlich noch nicht aufgestellt hat. So wie Robert sich nicht an Lenis Transition gewöhnen kann, so sind auch die Gangster alter Schule weder gewillt noch in der Lage, der Komplexität der modernen Welt zu begegnen.  

Bisweilen deuten sich hier Elemente des Noirs an, was sich besonders in dem Schicht um Schicht anwachsenden Plot ausdrückt. Zum einen ist da Leni, die als eine lose Variation auf die femme fatale gesehen werden kann und die in ihren Absichten bis zuletzt undurchsichtig bleibt. Zum anderen sind da die leitmotivisch eingesetzten Schlager und Chansons, die besonders in jenen Szenen eingesetzt werden, da Leni ins Zentrum des Geschehens rückt und den performativen Aspekt der Hochhäusler’schen Figuren betont.

Visuell zeichnet Hochhäusler die vielen Schichten seiner Charaktere dann auch nach, indem er die Kamera in einem ausgelassenen Moment zwischen Leni und Robert wiederholt an beiden vorbeiziehen lässt; unmerklich innehaltend und neu ansetzend, ganz so, als wolle die Kamera sich korrigieren, als habe sie die Charaktere nicht planmäßig eingefangen. Es ist ein Stilmittel, das wir bereits aus Unter dir die Stadt kennen, in welchem wir uns ebenfalls bis zum Schluss an den uns letztlich kaum nahbaren Figuren abarbeiten, stets im Ungewissen darüber, woran wir bei ihnen sind. Später dann, als wir Leni während einer heimlichen Raucherpause  von einer Fensterscheibe reflektiert sehen, scheint Hochhäusler gar zu suggerieren, dass sich in der äußeren Präsentation womöglich mehr ausdrückt als in einem vagen, nie wirklich an die Oberfläche zu bringenden menschlichen Inneren. Zu diesem Schluss mag zumindest kommen, wer dem Umstand Beachtung schenkt, dass wir Lenis Gesicht in diesem Moment nur in der Reflektion der Fensterscheibe frontal sehen, während der direkte Blick auf sie uns lediglich eine Einstellung im Profil präsentiert.

Es passt daher ins Bild, dass die wohl intimste Szene des Filmes ein Kuss zwischen Leni und Robert ist, der bewusst von der Fensterscheibe eines Autos getrennt wird. Wenngleich sich früh erahnen lässt, dass es für beide nicht auf ein Happy End hinauslaufen kann, so transportiert dieser Kuss (oder Fast-Kuss) die fast unsichtbare, aber doch spürbare Distanz zwischen den beiden. Ein ähnlich utopischer Moment trägt sich Augenblicke später erneut im Auto zu, wenn Robert, noch immer von einer gemeinsamen Zukunft mit Leni überzeugt, diese lautstark herbeisehnt. Er solle nichts versprechen, was sich nicht halten ließe, erwidert Leni da, als Robert ihr zusagt, für sie würde er sogar den auf das Autodach niederprasselnden Regen aufhalten. Doch sieh da: ein kurzes Schnipsen Roberts, und plötzlich stellt sich eine auffällige Stille ein, das Prasseln des Regens auf magische Weise verstummt. Die Szene findet in der Folge keinerlei Erwähnung mehr, und so gewinnt man beinah den Eindruck, als seien diese beiden hoffnungsvollen Szenen an das Auto selbst gebunden – nicht so sehr in seiner Erscheinungsform als motorisiertes Vehikel, aber als Symbol der Transition, der Bewegung, der Veränderung.

Ist man sich einmal dieser inszenatorischen Feinsinnigkeiten gewahr, so fällt es schwer, sich nicht am Rahmen zu stoßen, innerhalb dessen Hochhäusler seine Krimi-Geschichte präsentiert. Insbesondere die Dialoge sind hier zu nennen, die mit hölzern noch wohlwollend umschrieben sind. Zudem schwingt allem Vorgetragenen eine große Ernsthaftigkeit mit, zu der man Hochhäusler gern gratulieren würde, wenn sie nicht allzu oft ins Lächerliche umschlagen würde. Statt als eigene Unendlichkeit innerhalb der Grenzen des Krimi-Genres figurieren Hochhäuslers Zugeständnisse ans Genre hier stattdessen als Korsett, das ihn mehr zu beschränken als  zu befreien scheint, was sich insbesondere dann bemerkbar macht, wenn er in solch kleinen Momenten aus ihnen ausbricht.

Fazit

Hin und wieder, wenn Themen wie Performanz, Indirektheit und Perspektivität nicht nur auf narrativer, sondern auch auf filmischer Ebene aufgegriffen werden, erinnert Bis ans Ende der Nacht stark an einen Christoph-Hochhäusler-Film. Diese spannenden Aspekte werden jedoch durch einen nur scheinbar spannenden Krimiplot untergraben, dem, letztlich bedauerlicherweise, zu viel Gewicht beigemessen wird.

Kritik: Patrick Fey

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