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Inhalt

Drama aus dem Jahr 1978 von dem einflussreichen schwedischen Regisseur Ingmar Bergman. Charlotte Andergast ist eine berühmte Konzertpianistin. Nach langer Zeit besucht sie mal wieder ihre Tochter Eva. Das Verhältnis zwischen den beiden Frauen ist ziemlich angespannt. Eva wirft Charlotte mangelnde Mutterliebe vor. Der Konflikt spitzt sich zu.
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Quelle: themoviedb.org

Kritik

„Menschen wie du sind lebensgefährlich! Man müsste sie einsperren und unschädlich machen!“

Im (frühen) Herbst seiner Karriere und vielleicht auf dem Höhepunkt des eigenen Schaffens ist Ingmar Bergman („Wilde Erbeeren“) so intensiv und aufrüttelnd; selbst für einen empathischen Filmemacher wie ihn ist das schon ein ganz starkes, nachhaltiges und teilweise zermürbendes Stück Kino. Das nicht unter der eigenen Schwere erdrückt wird, obwohl das Licht am Ende des Tunnels nur die scheinheilige Dämmerung ist, in die sich wieder heimlich, still und leiser verkrümelt wird, als wäre alles nur ein böser Traum gewesen.

Der Tod ihres Lebensgefährten sorgt für eine Zusammenkunft der Starpianistin Charlotte (Ingrid Bergman, „Mord im Orient Express“, in ihrem letzten Kinofilm) und ihren Töchtern, nach über 7 Jahren. Eva (Liv Ullmann, „Die Stunde des Wolfs“) ist selbst überrascht, dass Mama sich diesmal doch zur Stippvisite herablässt, kann ihre Freude und gleichzeitige Anspannung über den unverhofften, innig herbeigesehnten und insgeheim dennoch gefürchteten Besuch kaum verbergen. Das müsste/sollte sie auch eigentlich nicht, denn was kann schöner sein als der Schoß der eigenen Mutter? „Glaubst du, dass ich erwachsen bin?“ fragt sie ihren Ehemann Viktor (Halvar Björk, „Das Neue Land“, in der Funktion des leicht außenstehenden Erzählers). Genau das thematisiert erst nebenbei und später in ungeahnter (wenn es kein Bergman wäre), drastischer Sezierung „Herbstsonate“, dessen schlichtes Szenario quasi „über Nacht“ ein komplexes Themengebiet beackert, als wenn es das Selbstverständlichste von der Welt wäre. Tief in menschliche Abgründe blicken lässt bzw. eher im freien Fall hineinstößt, daraus eine Kraft und emotionale Wucht generiert, das man aufpassen muss nicht das Atmen zu vergessen.

Schon bei der trügerisch-harmonischen Begrüßung von Mutter und Tochter brodelt es unter der Oberfläche gewaltig, ohne das Bergman dies überdeutlich hervorheben müsste. Denn trotz warmer Worte und eines vermutlich sogar ernst gemeinten Lächelns hier und da schwingt das hierarchische Verhältnis und die emotionale Distanz in jeder Silbe mit; zieht sich als Subtext durch jeden Moment, bis das Schweigegelübde endlich gebrochen wird und alles auf den Tisch kommt, was lange unter selbigen gekehrt wurde. Eine nicht mehr längst überfällige, sondern bereits viel zu späte Konfrontation zwischen Mutter und Tochter, die nichts mehr reparieren kann, der angerichtete Schaden gleicht einem Trümmerfeld und offenbart sich dem bald geschockten Zuschauer von Minute zu Minute mehr. In der Quintessenz behandelt „Herbstsonate“ den Missbrauch und die damit einhergehend Zerstörung jedes Urvertrauens, was einen jungen Menschen zu einem labilen Wrack verkrüppeln lässt. Es geht um die Wahllosigkeit ein Kind zu sein (und es für immer zu bleiben) und die damit verbundene Verantwortung einer Mutter, eben diese Rolle auch auszufüllen. Nicht nur durch nette, distanzierte und höfliche Oberflächlichkeiten, hinter der sich zum Teil ein gnadenloses Desinteresse und eine fast krankhafte Egomanie verbirgt. Aber auch die Unfähigkeit einer ehrlichen Diskussion mit sich selbst, den eigenen Gefühlen, der Vergangenheit und den zahllosen begangenen Fehlern, von denen einige selbst im Falle eines aufrichtigen Bemühens auf ewig unverzeihlich bleiben.

Ein sehnsüchtiges Flehen um mütterliche Zuneigung wird zur Nacht der blanken Messer mit tiefen Stichwunden, aus der – wie immer – im Morgengrauen geflüchtet wird. Nicht vor der Anklägerin Eva, nicht vor dem vor sich hinvegetierenden Schandfleck Helena, sondern nur vor dem eigenen Spiegelbild, das man in schizoiden Monologen zu entschuldigen versucht, während die psycho-somatischen Rückenschmerzen für schlaflose Nächte sorgen. Die vorher selbst fein gesetzten Nadelstiche, die unterschwellig implizierten Schuldgefühle und Minderwertigkeitskomplexe schlagen mit aller aufgestauten Wut zurück. Tränenreich (nicht zu verwechseln mit rührselig) zerfällt die jahrelang krampfhaft aufrechterhaltene Charade in den Scherbenhaufen, der nie etwas anderes war. Der Showdown zwischen Ingrid Bergman und Liv Ullmann – von Sven Nykvist abermals in bestechender Präzision und in jedem Detail fast voyeuristisch ausdrucksstark eingefangen – ist selbstaufopfernde Schauspielkunst auf höchstem Niveau und spannender, mitreißender als jeder Thriller, beeindruckender als jedes Blockbuster-CGI-Gewitter, abgründiger als jeder Horrorfilm. Bergman beherrscht das menschliche Kino wie kein Zweiter und seine „Herbstsonate“ ist selbst für seine Verhältnisse ein herausragender Brocken, den man erstmal schlucken muss, aber – und das ist die wahre Kunst – den man trotzdem in jedem Moment genießt. Unheimlich, wie einem das gelingen kann.

Fazit

Filme wie Bergman macht in dieser Konstanz nur noch Michael Haneke, obwohl die sich doch deutlich unterscheiden. Haneke ist oft eher der neutrale, distanzierte Beobachter und Analytiker. Bergman bohrt sich ganz tief in seiner Figuren und lässt sie splitterfasernackt zurück, aber auf eine ungemein ehrliche, herzliche Art, trotz allen Leides und Schmerzes. Er ergötzt sich nicht an ihren Tragödien, er gibt ihnen ein Gewicht, eine Stimme und ganz viel Seele. Und hinterlässt immer diesen Funken Hoffnung, der in der ganzen verbrannten Erde noch glimmt.

Kritik: Jacko Kunze

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