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Quelle: themoviedb.org

Inhalt

Ein Städtchen mitten in Thüringen. Die Teenager Erik und Sebastian sind Außenseiter. In der Schule werden sie gemobbt und im Dorftreff gibt’s von den Nazis aufs Maul. Ansonsten ist hier der Hund verreckt. Also sitzen sie ihre Zeit ab. Zocken. Ballern mit dem Gewehr im Wald rum. Doch unter der Oberfläche brodelt es. Gewaltfantasien reifen, ihre Gedanken kreisen. Um Rache. Vergeltung. Gerechtigkeit? „Tu es!“, flüstert da diese Stimme aus dem Sumpf. Erik hört hin. Es ist der 11. September 2001. Auch in Thüringen.

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Quelle: themoviedb.org

Kritik

Bei seinem Langfilmdebüt entführt uns Regisseur und Drehbuchautor Julian Richberg irgendwo in die tiefste Provinz in Thüringen. Lange ist nicht exakt klar, zu welchem Zeitpunkt, man kann es allerdings grob eingrenzen. Gezockt wird noch auf der PS2, Filme werden auf VHS geschaut und Anrufe noch überwiegend übers Festnetz getätigt. Ein Poster der ersten Tomb Raider Verfilmung ist noch der konkreteste Hinweis, dass wir uns vermutlich im Jahr 2001 befinden. Dies hängt im Zimmer des etwa 18jährigen Schülers Erik (Oskar Bökelmann, Petting statt Pershing). Er und sein bester Freund Sebastian (Niklas Doddo, Alles was zählt) sind klassische Außenseiter. In einer Gegend, wo man als Jugendlicher entweder radikal links oder rechts ist, auch um wenigstens irgendeiner sinnlosen Perspektive hinterherzulaufen, stehen sie unentschlossen zwischen den Fronten. Hier passiert nicht viel, wenn man nicht gerade von dem Schul-Bully Patrick (Tobias Krebs) oder den Schergen seines rechtsradikalen Bruders aufgemischt wird. Eigentlich würden sie sich gerne revanchieren, nur bleibt es wie so oft bei den losen Gedanken. Bis Erik immer häufiger seltsame Geräusche wahrnimmt, die aus dem nahegelegenen Waldgebiet zu kommen scheinen. Und sie kommen näher. Werden lauter, deutlicher. Auch als er Elli (Anna Jung) kennenlernt und dem Teufelskreis aus Tristesse und Langeweile zu entfliehen scheint, verhallen sie nicht. Dafür distanziert er sich zusehend von Sebastian.

Julian Richberg besitzt ein unverkennbar authentisches, vermutlich semi-autobiographisch geprägtes Gespür für die Zeit, die Region und die Situation, die er bei seinem Spielfilmdebüt widerspiegelt. Schafft mit einfachen Mitteln eine bedrückende, ausweglos anmutende Stimmung und reichert seine Coming-of-Age-Sozialstudie mit mystischen Elementen an, die sie aber nur im übertragenen Sinn in den phantastischen Bereich ansiedelt. Die große Stärke von Arboretum liegt in seiner Glaubwürdigkeit, dass er jederzeit greifbar und nachvollziehbar wirkt. Das mystische Element erscheint schon früh nur ein Stilmittel zu sein und entpuppt sich (das sollte wirklich kaum jemanden überraschen, daher darf das an dieser Stelle ruhig erwähnt werden) als eine Metapher auf das, was wie ein bleierner, unsichtbarer Schleier über der gesamten Region zu liegen scheint. Der Flucht vor der Schuld und vor der Verantwortung für das eigene Handeln, auch wenn man sich eventuell dazu gezwungen sah. So darf vor Sebastian’s greisen Großvater nicht „das N-Wort“ (Nazi…nicht das andere) erwähnt werden, da er im Dritten Reich selbst aktiv beteiligt war und Erik’s Vater hat als ehemaliger Mauerschütze immer noch nicht mit der eigenen Vergangenheit abschließen können. Man sucht eine Rechtfertigung, eine Entschuldigung. Nur Erik sucht sie bereits im Vornherein. Vielleicht im unbewussten Wissen, worauf alles hinauslaufen wird.

Beim Publikum des HARD:LINE Filmfestivals landete Arboretum auf Platz 3 des Audience Award und das ist mehr als berechtigt. Julian Richberg gelingt sicherlich kein Geniestreich, auch da seine Meta-Ebene grundsätzlich nichts Neues und relativ schnell durchschaubar ist sowie anderweitig schon häufiger verwendet. Die Umsetzung ist dafür klasse, besonders in Anbetracht der bescheidenen Ressourcen. Die Stimmung ist hervorragend, der talentierte Jung-Cast weit über dem Durchschnitt selbst hochklassigerer Produktionen und die Geschichte verfehlt ihre angepeilte Wirkung keinesfalls. Hier steckt sehr viel Leidenschaft, Detailgetreue und Potential drin, was extrem viel Lust auf weitere Arbeiten dieses jungen Filmemachers weckt. Er sollte aber bitte seinem Fingerspitzengespür für Figuren und Gegebenheiten treu bleiben, denn gerade das zeichnet diese überaus sehenswerte Independent-Produktion am meisten aus.

Fazit

9/11 irgendwo in Mitteldeutschland. Frustration, Perspektivlosigkeit und aufgestaute Gewalt münden in einer Katastrophe, auch weil Verdrängung und Schuldzuweisungen hier an der Tagesordnung sind. Atmosphärisch exzellent eingefangen und mit viel Talent vor und hinter der Kamera präsentiert. Dem Drehbuch fehlt es vielleicht noch an etwas Finesse, wobei auch hier grundsätzlich deutlich mehr richtig als falsch gemacht wird. Die „Fehler“, man muss sie schon suchen.  Das (persönlich) bisherige Highlight des Festivals.

Kritik: Jacko Kunze

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