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Quelle: themoviedb.org

Inhalt

Brahim ist dreißig, Muslim und schwul. In der Familie ist seine Sexualität immer noch ein Tabuthema, das für Spannungen sorgt - und als selbst die große Geburtstagsfeier seiner Mutter in eine Konfrontation mit den konservativen Traditionen seiner Verwandtschaft mündet, flüchtet sich der junge Belgier ins nächtliche Treiben Gleichgesinnter. Dort wähnt er sich geschützt, doch sein Eingreifen in einen Streit bringt die Begegnung mit einer Gruppe angetrunkener junger Männer und führt zur verhängnisvollsten Entscheidung seines Lebens: Brahim steigt in ihr Auto und wird zur Zielscheibe höhnischer Witze, die zunächst zu erniedrigenden Handgreiflichkeiten und bald darauf zu einer letzten Reise im Kofferraum des Wagens führen. Auf einem Feld außerhalb der Stadt endet die Fahrt, doch für Brahim ist das erst der Beginn einer grausamen Tortur, in deren Verlauf der letzte Rest an Menschlichkeit in seinen Peinigern verloren geht.

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Quelle: themoviedb.org

Kritik

Der Mord an Ihsane Jarfi schockte Belgien im Jahr 2012. Der 32jährige wurde auf einem Feld aufgefunden, nach etlichen Stunden qualvollem Todeskampf letztlich verstorben an den schweren Verletzungen, die ihm durch vier junge Männer zugeführt wurden. Ihr Motiv: Homophobie, denn Jarfi war schwul. Im Dezember 2014 wurden drei von ihnen zu einer lebenslangen und einer zu einer 30jährigen Freiheitsstrafe verurteilt.

Regisseur & Drehbuchautor Nabel Ben Yadir, wie das damalige Opfer ein belgischer Muslim mit Migrationshintergrund, verfolgte den Fall bereits damals aufmerksam und realisierte im letzten Jahr schließlich diesen Film. Die Namen wurden geändert und es soll auch nicht exakt die Ereignisse dieser Nacht widerspiegeln, dennoch ist das Werk dem verstorbenen Ihsane Jarfi ausdrücklich gewidmet. Sein filmisches Alter Ego ist der 30jährige Brahim (Soufiane Chilah, Red Light), Sohn einer Belgierin und eines immigrierten Marokkaners. Die Handlung beginnt auf der Geburtstagsfeier seiner Mutter. Das Haus ist voll mit Verwandtschaft und die Stimmung ist ausgelassen, Brahim fühlt sich offenkundig jedoch nicht ganz wohl in seiner Haut. Die Kamera bleibt konsequent bei ihm und so fühlt man sich als Zuschauer*in schnell in einer ähnlichen Situation. Da gibt es diese leicht musternden Blicke hier und da und eine unausgesprochene, latente Anspannung liegt von Zeit zu Zeit in der Luft. Brahim ist schwul, was nicht jeder in seiner sehr traditionsbewussten Familie zu wissen scheint. Und für die, die es wissen, ist es ein unangenehmes Tabuthema. Obwohl er mitten im Geschehen ist, wirkt er isoliert. Besonders das Verhältnis zu seinem Vater und seinem Bruder scheint dadurch schwer belastet, so dass Brahim die Feier auch nach einem Disput mit seinem Bruder verlässt.

Er stürzt sich ins Nachtleben und landet irgendwann im Auto von vier Freunden, die sich schnell nicht nur als angetrunken, sondern speziell als homophob und aggressiv herausstellen. Es beginnt noch verhältnismäßig „harmlos“, mit herablassenden und hämischen Kommentaren, bis die Sache urplötzlich außer Kontrolle gerät. Was dann folgt, ist aufgrund der bekannten Tatsachen natürlich nicht überraschend und jeder, der diesen Film mit diesem Bewusstsein schaut, sollte sich im Klaren sein, was nun auf ihn zukommt. Doch selbst dann ist Animals: Wie wilde Tiere ein ganz schwerer Brocken, der fast unweigerlich Assoziationen zu Irreversibel (2002) von Gaspar Noé hervorruft. Auch dieser Film ist (nach wie vor) an unmittelbarer Grausamkeit kaum zu übertreffen und gerade deshalb so gut und wichtig. Sich das anzugucken, macht keinen Spaß und soll es um Himmels Willen auch nicht. Doch nicht nur aufgrund seiner Schonungslosigkeit und Gewaltdarstellung fühlen sich diese Filme an wie aus einem Guss. Es ist noch viel mehr die Intensität und Dichte, mit der das Publikum hier praktisch zum Mitleiden gezwungen wird.

Der Fokus liegt komplett auf Brahim. Nie lässt die Kamera ihn aus dem Blick, alles erleben wir direkt aus einer Perspektive. Das machte schon diese an sich harmlose Familienfeier extrem unangenehm und jetzt wird es schier unerträglich. Inszenatorisch sattelt Nabel Ben Yadir während der quälend langen Durchführung des Verbrechens sogar um und liefert die Bilder aus einer iPhone-Kamera, mit der die Täter ihren Exzess festhalten. Ein viehischer Akt abscheulicher Barbarei, dass nichts mit einem Torture-Porn oder „filmischen Gewalt-Genuss“ zu tun hat. Geschildert wird die pure Eskalation einer Spirale aus Hass und Gewalt, die irgendwann keine Grenzen mehr kennt. Wenn es endlich vorbei ist, fühlt man sich beinah erleichtert. Doch da hat der Film noch gut eine halbe Stunde auf der Uhr, was nun?

Jetzt sind wir wieder ganz dicht dran an einer Figur. Diesmal jedoch an Loic (Gianni Guettaf), dem jüngsten der Täter. Er war anfangs noch relativ zurückhaltend, ein klassischer Mitläufer. Am Ende hat er sich aus der Sicht seiner Kumpel die Sporen verdient und sich seine Knöchel in dem bereits leblosen Brahim wund geschlagen. Besudelt mit dem Blut des Opfers kehrt er in der Frühe völlig gelassen in sein Elternhaus zurück, entledigt sich der Schmutzwäsche, knuddelt seinen Hund und macht sich direkt schick für eine anstehende Feier. Eine, auf die er aus Sicht seines offenbar auch der Gewalt nicht abgeneigten Stiefvaters besser nicht gehen sollte, doch Loic lässt sich nichts sagen. Wie sich herausstellt, wird sein leiblicher Vater erneut heiraten. Loic hilft beim Einrichten des Saals, die Kamera folgt ihm genauso direkt wie zuvor Brahim. Wie sich am Ende herausstellt, heiratet sein Vater einen anderen Mann. Ein kleiner Paukenschlag, mag es im ersten Moment eine Art „Motiv“ für sein Hassverbrechen anbieten, was mehr oder weniger fast einer ungünstigen „Legitimation“ nahekommen würde. Tatsächlich wird dadurch nur offenbart, wie ähnlich sich Täter und Opfer irgendwo sind. Der Film beginnt und endet auf einer Familienfeier, in der sich der auserwählte „Protagonist“ nicht wohl in seiner Haut fühlt. Weil er das Gefühl hat, nicht dazuzugehören und ein nie geklärter Konflikt zwischen Vater und Sohn wie der berühmte Elefant im Raum steht, den jedoch alle ignorieren. Das ist ein sehr interessanter und diskussionswürdiger Kniff, der letztlich aber gar nicht so wichtig ist. Viel bedeutender ist die Bloßstellung von fataler Gruppendynamik, toxischer „Männlichkeit“ und der zunehmenden Verrohung eines Mindestmaß an offenbar nicht mehr selbstverständlicher Menschlichkeit, für die im Einzelfall gar kein Unrechtbewusstsein zu existieren scheint.

Fazit

Manche Filme sollen und dürfen erst recht keinen Spaß machen. Dies ist so einer und das macht er richtig gut. Schonungslos, herausfordernd und konsequent bis ins Mark. Das sitzt und wird im Idealfall so schwer schockieren, dass der ein oder andere ins Grübeln kommt. Schwer zu empfehlen, aber zwingend zu erwähnen.

Kritik: Jacko Kunze

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