MB-Kritik

Allensworth 2022

Documentary

Inhalt

In langen Einstellungen vermisst James Benning Gebäude eines heute verlassenen Ortes.

Kritik

Es ist streitbar, ob James Benning (Twenty Cigarettes) filmisch nie sonderlich viel zu sagen hatte oder überhaupt nichts; Fakt ist, der US-amerikanische Filmemacher wiederholt sich unablässig seit Jahrzehnten. In denen wurden seiner fast immer aus statischen Landschaftsszenen zusammengesetzten Bildstrecken quasi eine Dauerpräsenz im Berlinale Forum. Dort läuft wenig überraschend auch sein jüngstes Werk, das ebenso wenig überraschend wiederum eine unkommentierte Abfolge in Monatskapitel unterteilter Totalen aneinanderreiht. Jede Aufnahme dauert ca. fünf Minuten, was eine Stunde Filmlaufzeit ergibt.

Deren dramatischer Höhepunkt ist die Lesung von Gedichten der afroamerikanischen Dichterin und Autorin Lucille Clifton in einem ehemaligen Klassenraum. Die dazugehörige Schule ist längst verlassen und verwittert wie die meisten der gezeigten Gebäude. Das immer noch stilvolle Hotel, die kleine Bibliothek, ein Geschäft, dessen Kundschaft längst verstorben ist: Relikte eines Titelorts, dessen historische Bedeutung als erste von People of Color gegründete, erbaute und verwaltete Stadt in den USA der Regisseur genauso verschweigt wie politischen Kontext.

Zweiten suggerieren zwar Cliftons Gedichte und die Strophen Nina Simones „Blackbird“, doch die Verknüpfung eines solchen Orts mit den lyrischen Stimmen zweier Women of Color, einer von ihnen queer, unterstreicht den eigentlichen Zweck des kinematischen Katalogs. Benning inszeniert nicht das denkmalgeschützte Kulturerbe, sondern sich seine eigene Persona als vorgeblich politisch bewussten Schöpfer prägender Bilddokumente von historischer Strahlkraft. Wie bereitwillig jemand wie er an der Spitze der Privilegien-Pyramide ikonisiert wird, illustriert nicht nur das Berlinale Forum.

Fazit

Alle paar Jahre wieder dokumentiert ein Werk des Berlinale-Veteranen wie wenig nötig ist, damit die Mitglieder der Status-Elite zu bedeutenden Filmemachern verklärt werden. Statt sich in irgendeiner Form mit den durch den titelgebenden Schauplatz evozierten Themen zu befassen, liefert James Benning einen weiteren Bilderbogen, in den man sein vermeintliches Genie interpretieren darf. Die dem Abspann beigefügte Pulitzer-Preis-gekrönte Fotografie Elizabeth Eckfords, wird zum Verweis auf die politische Kraft von Bildern, denen er seine eigenen implizit gleichstellt.

Autor: Lida Bach
Diese Seite verwendet Cookies. Akzeptieren.