„Es ist ein Segen und ein Fluch!“ Wie könnte man den Cyberspace treffender als mit diesem einzelnen Satz beschreiben? Einerseits ist heutzutage alles viel einfacher als früher. Man ist ständig und jederzeit mit allen verbunden und kann so gut wie jeden jederzeit nicht nur im Internet, sondern auch im echten Leben finden. Der Nachteil ist natürlich, dass man auch selbst permanent erreichbar ist und gefunden werden kann, weil das Internet nicht nur die Freuden des Fortschritts, sondern auch die Nachteile der permanenten Überwachung mit sich bringt. Und das Schlimme daran ist, dass wir an diesem ganzen Prozess und der gegenwärtigen Entwicklung selber Schuld sind, weil wir aus völlig unterschiedlichen Gründen unser Leben so gestalten, dass es überwiegend im Internet stattfindet und kaum einer vermag sich heute noch dem sozialen Druck zu entziehen, dauerhaft online sein zu müssen. Sogar diejenigen, die der Meinung sind, dass sie sich im Internet bedeckt halten, verraten viel mehr über sich als sie eigentlich denken, weil sie unwissentlich ihren WhatsApp-Status mit allen teilen, weil irgendjemand sie auf irgendeinem Bild markiert hat oder, weil sie unbedacht Bilder von ihrem Zuhause posten, ohne sich Gedanken darüber zu machen, dass man mit Google Street View ganz leicht herausfinden kann, wo sie wohnen.
Von dieser ganzen negativen Entwicklung kann Harri (Chaneil Kular, Bodies), der Protagonist von Accused ein Lied singen, weil er zur Zielscheibe für Hater wird und das, obwohl er vollkommen unschuldig ist. Innerhalb von nur ein paar Stunden schaukelt sich das Ganze so weit auf, dass man von harmlosen Kommentaren, die sich nur auf Angst vor Anschlägen beziehen, schnell zu rassistischen Hasskommentaren, Morddrohungen und Lynchjustiz übergeht. Und das Schlimme daran ist, dass Harri überhaupt nichts dagegen tun kann, weil die Polizei sein Anliegen nicht ernst nimmt, so muss er mitten in der Nacht vollkommen allein mit dem ganzen Scheiß fertig werden. Jeder, der schon mal mitten in der Nacht allein zu Hause war und aus irgendeinem Grund Angst hatte, dass seine Wohnung / Haus jeden Moment von Fremden betreten werden kann, wird die Gefühle von Harri sicherlich gut nachvollziehen können. Harri chillt ganz entspannt vor dem Fernseher und plötzlich erkennt er, dass die Menschen, die eigentlich „nur im Netz“ sind, mehr Macht haben, als man denken könnte und sie sind bereit alles zu tun, um ihn nicht nur im Netz, sondern auch im realen Leben hart zu treffen.
Chaneil Kular spielt seine Verzweiflung und seine stetig steigende Angst wirklich sehr überzeugend. Nur spielt sich der Hass tatsächlich erst einmal nur im Internet ab. Man muss deshalb bereit sein, sich darauf einzulassen, dass mehr als die Hälfte des Films daraus besteht, dass Harri begleitet von nervigem Sound, vollkommen geschockt durch die Hasskommentare scrollt. Ansonsten passiert lange nichts Konkretes, was sein Leben in Gefahr bringt. Seine Gegner bleiben lange verborgen, was sicherlich einerseits zum Anstieg der Spannung führt, doch anderseits auch den Wunsch nach mehr Action immer größer werden lässt. Als es endlich so weit ist und er im Dunkeln durch sein Haus schleicht in der Hoffnung es lebend raus zu schaffen, entwickelt sich der Film zu einem Home Invasion-Thriller und man spürt dieses beklemmende Gefühl, das Herri dauerhaft hat, während er um sein Leben kämpft. Wenn es mit der Action losgeht, hat Accused seine starken Momente und auch die pure Verzweiflung, mit der der Hauptdarsteller seine ausweglose Lage von Anfang an rüberbringt, ist sehr gut gelungen. Dennoch wird man das Gefühl nicht los, schon spannendere Filme mit Bezug zum Internet gesehen zu haben. Beispielsweise bei Searching, der sich überwiegend im Internet abspielt, kann man kaum still sitzen, weil dieses Drama einen sofort mitnimmt.
Was Accused angeht, ist es ohne Frage unterhaltsam und lehrreich, aber nicht durchgängig spannend. Trotzdem beinhaltet der Film eine wichtige Botschaft und die Präsentation dieser Botschaft erfolgt durchaus in einem soliden Rahmen und muss deshalb honoriert werden. Der Film warnt vor den Gefahren des Internets und davor Selbstjustiz verüben zu wollen, zwar nicht mit dem Argument, dass Selbstjustiz grundsätzlich falsch ist, sondern mit dem Argument, dass man den Falschen erwischen könnte. Doch wie soll man die Hater sonst noch erreichen, außer mit dem Argument, keine voreiligen Schlüsse zu ziehen? Das Bizarre an der Haterlogik ist, dass sie die Gewalt bei den Anschlägen angeblich verabscheuen, doch nicht die Gewalt, die sie dem vermeintlich Schuldigen antun wollen. Dabei erkennen sie nicht, dass sie nicht viel besser sind, als die Menschen, die sie hassen und eine Horde anderer Schafe erkennt nicht, dass sie mit ihren vermeintlich harmlosen Kommentaren im Netz den Hass so stark befeuern, dass er zu einer regelrechten Hexenjagd ausartet. Accused erteilt seinen Zuschauern eine wichtige Lektion: „Denkt nach, bevor ihr auf allen möglichen Kanälen Hasskommentare verfasst und andere beschuldigt, Terroristen zu sein, nur weil sie eine bestimmte Hautfarbe haben!“