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House of Cards - Staffel 1 Kritik

von André Schiemer

Der skrupellose und durchtriebene Kongressabgeordnete Francis Underwood (Kevin Spacey) und seine Frau Claire (Robin Wright) gehen über Leichen, um sich Macht zu verschaffen. Dieses bitterböse Politdrama beleuchtet die von Gier, Sex und Korruption geprägte Schattenwelt des modernen Washington D.C.

Wie lange ist es her, dass Kevin Spacey verkündet hat, die Schauspielerei an den Nagel zu hängen? Drei Jahre? Tatsächlich hat er seit 2011 keinen Film mehr gedreht. Und plötzlich wird er wieder in zig Gazetten abgelichtet und ist beliebter Interviewpartner. Grund ist die Serie „House of Cards“, von deren Drehbuch der Bill Clinton Freund Spacey so begeistert war, dass er kurzerhand die Hauptrolle übernahm. Aber das ist nicht der einzige große Name, der mit dieser Serie in Verbindung gebracht wird. David Fincher („Sieben“, „The Social Network“) ist einer der kreativen Köpfe hinter der Politthrillerserie und führte höchstpersönlich bei den ersten zwei Folgen Regie. Das Besondere an „House of Cards“ ist zudem, dass nicht nur ein reiner Streaming-Sender (Netflix) solch ein Großprojekt im einem Budget von 100 Millionen US-Dollar im Alleingang gestemmt hat, sondern dass von Anfang an alle Folgen auf einmal verfügbar waren. Damit kommt Netflix dem Bedürfnis vieler Zuschauer entgegen, die mittlerweile ganze Wochenenden und Urlaubstage mit dem Anschauen kompletter Serienstaffeln verbringen. Kein Wunder, kommen doch immer mehr hochkarätige US-Serien um die Ecke und das Interesse bei den Zuschauern wächst, auch hier in Deutschland. Egal ob Game of Thrones, Breaking Bad, Boardwalk Empire, Sons of Anarchy, Homeland oder eben House of Cards – zahlreiche auf Kinoniveau produzierte, preisgekrönte und unglaublich spannende Geschichten steigern die Nachfrage.

Worum geht’s in House of Cards? Kevin Spacey spielt den machtbesessenen Kongressabgeordneten Francis Underwood. Nachdem er dem frisch gewählten US-Präsidenten Walker ins Amt geholfen hat, ihm selbst aber der versprochene Job des Außenministers verwehrt bleibt, plant Underwood eine weitreichende Intrige gegen die Regierung. Um selbst in die Führungsetage der US-Politik zu gelangen, sind bei Underwood Manipulation und Erpressung an der Tagesordnung. Denn wer, wenn nicht er selbst, kennt alle schmutzigen Geheimnisse aller Regierungsmitglieder? Angetrieben wird er von seiner berechnenden Ehefrau Claire. Auch die aufstrebende Jungjournalisten Zoe Barnes versucht er zu instrumentalisieren, doch diese verfolgt ihre eigenen Ziele.

House of Cards beginnt sozusagen mit einem Knall, direkt gefolgt von einem leisen Wimmern. Ein sterbender Hund liegt auf der Straße, angefahren von einem Auto. Wir sehen Kevin Spacey, wir er sich dem Unfallort unweit seines Hauses nähert. Er blickt auf den Hund und dann in die Kamera, um sich direkt an den Zuschauer zu wenden. "Es gibt zwei Arten von Schmerz. Der Schmerz der einen stärkt und sinnlosen Schmerz, Schmerz der nur Leid mit sich bringt. Ich bin zu ungeduldig wenn etwas sinnlos ist."Mit diesen Worten legt der Kongressabgeordnete seine Hände um den Hals des Hundes und erwürgt ihn. "So, kein Schmerz mehr".

Ein Serienstart, der in Erinnerung bleibt und sogleich tiefe Einblicke in Underwoods Denken gibt. Auch die darauffolgenden Szenen spricht er immer wieder mit dem Publikum. Das ist zwar kein Novum, passt hier aber super rein und bringt einen mehr als einmal zum lachen. "House of Cards" ist keine Neuerfindung, sondern ein loses Remake der gleichnamigen englischen Serie von 1990, die wiederum eine Verfilmung des gleichnamigen Buches ist. Wenn Underwood wenige Zeit später beschließt seinen eigenen Krieg gegen die oberen Etagen zu führen, dabei gemütlich eine Zigarette raucht und verschmitzt in die Kamera grinst, dann merkt der Zuschauer, dass diese Rolle dem allseits charismatischen und wandelbaren Kevin Spacey wie auf den Leib geschrieben scheint.  Er vermag in Sekundenschnelle die Rollen zu wechseln: Mal  wirkt er sympathisch, zuvorkommend und ehrlich, dann wieder bedrohlich, zynisch und böse. Macht um der Macht Willen als führendes Thema als Story wurde zwar schon in zig Filmen verwurstet, wird hier aber erfrischend und mit viel Zynismus und trockenem Humor aufbereitet. Kevin Spacey spielte nach seiner Abkehr von Hollywood an einem Theater in London, nicht umsonst wird sein Charakter Frank Underwood mit Shakespeares Richard III verglichen.

Die englische Vorlage sollte Drehbuchautor Beau Willimon mit Unterstützung von Politprofis amerikanisieren und voll auf den Abgeordneten Underwood zuschneiden. Doch auch der restliche Cast ist eindrucksvoll und auf schauspielerisch hohem Niveau. Dazu gehören vor allem Michael Kelly, der als langer Arm von Underwood vor nichts zurückschreckt und keine Fragen stellt. Auch der bei uns eher unbekannte Corey Stoll legt als drogenabhängiger Kongressabgeordneter und Marionette wider Willen einen fantastischen und zuweilen auch oft berührenden Auftritt hin. Wie schon in Filmen zuvor arbeitet Regisseur David Fincher auch hier weiter mit der Mara-Familie zusammen – dieses Mal bekam Rooney Maras („Vergebung“) Schwester Kate die sicherlich beste Rolle die sie bisher inne hatte. Sie verkörpert Zoe Barnes, eine bloggende Reporterin, die ihrerseits gierig auf Ruhm und Anerkennung ist. Endlich kann Kate Mara sie auch mal eine Rolle verkörpern, die ihrem Alter entspricht und in der sie ihre Schönheit als Waffe und nicht als Schutzschild einsetzen kann. Zoe provoziert ihre Chefs, wohnt in einer heruntergekommenen Bude und trinkt Wein aus Kaffeetassen. Frank bezirzt sie nicht allein aus dem Grund um ihren gesellschaftlichen Status und ihr Ego aufzuwerten, nein sie ist auch gierig auf neue Informationen aus der Welt der Reichen und Mächtigen. Underwood gibt ihr genau die Informationen, die ihm selbst nutzen und Gegnern schaden. Über mehrere Episoden hinweg setzt sich House of Cards kritisch mit der Macht der Medien auseinander und betont immer wieder, wie gefährlich und gleichzeitig effektiv vor allem das Internet in Bezug auf Wissen, Einfluss und Erfolg sein kann. Frank fühlt sich zu Anfang nicht sehr angezogen von Zoe, auch dann nicht, als sie mit tiefem V-Ausschnitt und Push-Up vor seiner Tür steht. Mit seinem Kopf ist er ganz bei seiner Frau Claire, die ihm den Rücken frei hält und beeindruckend von Robin Wright gespielt wird. Die Tatsache, dass sie als mächtige Lobbyistin für eine Umweltgruppe arbeitet, macht aus ihr eine nicht weniger gefährliche Person als Frank. Lieber feuert sie ihre halbe Belegschaft anstatt sich selbst Fehler in der Führung einzugestehen. Es ist selten, dass einem männlichen Protagonisten auch eine ebenso starke Dame zur Seite gestellt wird. Claire betört die Männer einerseits durch ihre Schönheit und Eloquenz, ist aber gleichzeitig eiskalt und berechnend.

Rein technisch gesehen gibt es an „House of Cards“ nichts zu mäkeln und damit reiht sich die Serie in andere Highend-Produktionen aus dem Hause HBO (die übrigens den Bieterwettstreit für "House of Cards" verloren) oder AMC ein. Was anderes war auch nicht von David Fincher zu erwarten und sein Stil macht sich deutlich bemerkbar. Es gibt lange Kamerafahrten, langsame Schnitte und viele Nahaufnahmen gepeinigter Gesichter. Finchers Washington D.C. ist eine düstere und kalte Stadt, die in viele Blau- und Grautöne getaucht ist und deren Bewohner umherziehende Schatten sind.Auch wenn es einige (emotional) brutale Momente zu sehen gibt, ist House of Cards eine Serie, die von ihren Dialogen lebt. Vor allem in den ersten Folgen wird viel über Gesetze debattiert und über Politik philosophiert, da dass bei dem einen oder anderen Zuschauer etwas Langeweile aufkommen könnte. Auch gibt es einige Folgen die für sich gesehen zwar ganz unterhaltsam sind, aber mit der Rahmenhandlung an sich absolut nichts zu tun hatten. Dabei bleiben lohnt sich aber, denn die Daumenschraube wird langsam aber merklich angezogen, bis sich die Ereignisse in den letzten Folgen überschlagen und wir mit einem offenen Ende ratlos zurückgelassen werden. Da ist es gut zu wissen, dass die 100 Millionen US-Dollar Produktionsbudget gleich in zwei Staffeln geflossen sind. 

Fazit: "House of Cards" ist eine endliche Geschichte, denn entweder erreicht Frank Underwood sein Ziel der Präsident der Vereinigten Staaten zu werden oder er geht dabei jämmerlich zugrunde. Kompromisse gibt es nicht, dass zeigt "House of Cards" eindrücklich. Die Produktion ist mehr als gelungen und wirkt sehr authentisch. Sei es das meist nächtliche Washington D.C., edle Restaurants oder die Büros im Weißen Haus. Nichts wirkt fehl am Platz und ist visuell beeindruckend, auch wenn die Szenerie oft erschreckend kühl wirkt. Auch wenn der Suchtfaktor nicht ganz so extrem ausfällt und die Macher nicht um einige Klischees herumkommen, sollten Drama und Thrillerfans allein schon wegen Kevin Spaceys Schauspielkunst einen Blick riskieren!

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