In meiner mittlerweile mehrjährigen ehrenamtlichen Tätigkeit als Autor hat sich mein Blick auf das Kino schon ein wenig verändert. So wie wohl jeder Autor plötzlich ins Detail schaut und schier auf der Suche nach dem unvergesslichen Filmmomentum ist, sind wir nicht nur an unser Hier und Jetzt gebunden, sondern müssen ganze Epochen von Filmen abdecken.
Es fällt dabei auf, dass sich das Filmen an sich stark gewandelt hat. Während die Schwarz/Weiß-Ära nichts anderes wie die Verbildlichung von Romaninhalten darstellte, wird heute gerne interpretiert und die Aufnahmen so lange verfremdet, bis man als Filmegucker den thematisierten Geruch regelrecht in der Nase spürt. Natürlich hatte man die einstigen Filmemacher nicht auf die "Modern School of irgendwas Arts" geschickt gehabt, um Regie zu studieren. Diese lernten noch höchstselbst den Umgang mit der Kamera und brachten ihre Visionen 1:1 auf die Filmrolle. Dadurch entstand eine modernistische Naivität, die man sich auch heute noch zu Gemüte führen kann - es wirkt zeitlos und stellt auch nichts anderes als die Geschichte in den Vordergrund, und so ersetzte die Kamera lediglich das physische Publikum.
Zum Glück wird doch noch auf die Schauspieler geachtet. Das hängt aber letztlich von den Freiheiten eines Regisseurs ab, der im Mainstream unter so vielen Köpfen arbeiten muss. Ein gutes Beispiel dürfte hier "Alien 3" sein, in dem David Fincher den Launen von Drehbuchautoren oder Produzenten ausgesetzt war. Es kann ja nichts werden, wenn man während des Drehprozesses das Drehbuch umschreibt, diese Szenen nachgedreht werden müssen und somit dem Regisseur der Geduldsfaden reißt. Schließlich kann man einer Putzfrau nicht plötzlich ein ihr unbekanntes, dreistöckiges Gebäude zur Arbeit aufdrücken und ihr noch zusätzlich auftragen, es innerhalb eines Tages blitzeblank zu schrubben - ok, "können" schon, aber von Erfolg gekrönt ist dieser Sklavenhandel auch nicht.
Grundsätzlich gehören die Filme heute nicht mehr den Machern. Es steht natürlich der große Verleiher und das große Studio dahinter, und die Schauspieler, Regisseure, die Kulissenbauer und Kabelträger sind lediglich die vorübergehend Beschäftigten. Wenn man es von weiter weg betrachtet, dann könnte man leicht behaupten, dass es Glückssache ist, wenn der regelmäßige Kinogänger einen Film herausfiltern kann, den er sich immer wieder anschauen mag. Man muss schon zugeben, dass es heutzutage nicht mehr leicht ist, bei der Menge an Releases herauszufiltern, was denn nun der absolute Oberhammer ist, aber auch die Massenabfertigung tut ihr Übriges, früheres Kino vergessen zu machen. Da fällt es nicht unbedingt schwer, sich die Macken herauszupicken, jedoch um so schwerer, wirklich Gelungenes zu finden - der unvergessene Moment wird zur Suche der Nadel im Heuhaufen.
Es läuft neben den neuen Releases die Wiederaufbereitung der alten Filme ab, die man in besserer Bildqualität auf silberne Scheiben presst. Mal unabhängig von der Qualität der Technik rückt hierbei wieder der Fokus auf die Geschichten in den Vordergrund, oder eben das, was Kino für meine Begriffe immer noch ausmachen sollte. Die vielen kleinen, netten oder auch wichtigen, zeitlosen und bedeutsamen Stories haben plötzlich wieder ihre Niesche im Mount Everest der DVD/BluRay-Stapel besetzt und brauchen sich gar nicht hinter den Neuveröffentlichungen zu verstecken. Wenn ihnen in der Zeit, in der sie über die alten Projektoren liefen, schon ein Stempel der Unvergesslichkeit aufgedrückt wurden, dann sollte es auch nicht schwer sein, da wieder zuzugreifen, wenn man neben dem alten Inhalt noch ein besseres Bild spendiert bekommt. So kann man sich eben den "Godfather" unter den Filmen aus dem Regal ziehen, wenn die letzten Mafia-Neuinterpretationen so niveaulos wie Oliver Pocher unter dem Schreibtisch daher kommen.
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