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Wolfgang M. Schmitt im Gespräch (2)

GoldenEra

Von GoldenEra in Filmkritiker im Gespräch (Folge 1): Wolfgang M. Schmitt und die ideologiekritische Filmanalyse

Wolfgang M. Schmitt im Gespräch (2) Bildnachweis: YouTube: "Die Filmanalyse"

Das Gedankengut hinter Ihren Videos erinnert ein wenig an Platons Höhlengleichnis. Es gibt jene, die nur „schauen“, das sind jene die bei Platon in der Höhle unten gefesselt sind. Und dann gibt es jene, die „sehen“, die sich aus diesem Zustand befreit haben und aus der Höhle in die Realität aufgestiegen sind. Bei Platon sind die Menschen in der Höhle gefesselt und es bedarf eines Impulsgebers, einer Art Erzieher, der hilft sich von den Fesseln zu lösen, damit das Individuum dann alleine den Weg aus der Höhle bestreiten kann. Sehen Sie sich in Anbetracht der Filmkunst als ein solcher Impulsgeber?

Ich sehe mich schon als Impulsgeber, allerdings nicht als Erzieher, denn der Erzieher ist auch der, der alles weiß, der schon am Ziel angelangt ist. Dieses „nicht-schauen-sondern-sehen“ ist ja ein ständiger Prozess, dem man sich auch selbst unterziehen muss. Also man muss sich auch als Kritiker immer wieder selbst befragen, ob man gerade nur schaut, oder ob man den Subtext, die ästhetischen Qualitäten, die Ideologie dahinter sieht. Man ist also nicht irgendwann an einem Punkt angelangt, an dem man ein Diplom ausgehändigt bekommt und dann ist man plötzlich der, der sehen kann. Das ist viel mehr ein ständiger Prozess und man muss an sich arbeiten, um sich diesen Blick zu bewahren. Nicht dass man sich irgendwann zwar noch für den Sehenden hält, aber selbst nur noch schaut.

Der Vergleich zum Höhlengleichnis leuchtet mir ein, aber es gibt vielleicht noch etwas, das in diesem Zusammenhang zu erwähnen ist. Die deutsche ideologiekritische Filmkritik ist eigentlich seit den 80er-Jahren tot. Damals gab es eine heftige Debatte zwischen alten Ideologiekritikern und den neuen Subjektivisten, wie sie gerne genannt wurden, die auch heute noch sehr stark das Feuilleton regieren, wie zum Beispiel Claudius Seidl, der für die FAZ schreibt. Und Claudius Seidl warf damals den Ideologiekritikern vor, dass sie Scheuklappen haben, und zwar aus Papier. Und dann sagte er: „Und wenn man genau hinsieht, dann erkennt man, sie haben sich Bücher vor die Augen geschnallt“.

Also was diese Subjektivisten meinten, ist, der Ideologie-Kritiker könne gar nicht unverstellt sehen, weil er immer nur die Theorie vor den Augen hat. Ich würde genau das Gegenteil behaupten: es gibt kein unverstelltes Sehen. Man kann nicht einfach in einen Film gehen und schauen, was der Film mit einem macht. Dann ist man immer schon Teil der Ideologie, dann kommt man aus seinem eigenen Verblendungszusammenhang nicht mehr heraus, dann schaut man nur. Nur wenn man sich sagt, ich nehme auch eine theoretische Position zu der Sache ein, ich nehme überhaupt eine Position ein und reflektiere mich als Betrachter mit, dann kommt man tatsächlich zum Sehen. Aber es ist immer wieder geboten das zu tun. Man kann nicht sagen: jetzt bin ich ein Sehender, jetzt bin ich ein großer Prophet. Das ist ein Kritiker in der Regel nicht.

Also würden Sie auch sagen, dass es Ihnen eine gewisse Disziplin abverlangt, sich selbst immer wieder zum Sehen zu zwingen?

Absolut. Denn gerade das Hollywood-Kino verlockt einen dazu, dass man nur schaut. Wir werden da ja mit sehr schönen Schauspielern und Schauspielerinnen gelockt, wir sollen eigentlich fasziniert sein von diesen großartigen Bildern und sollen tatsächlich nicht irgendeine Ideologie erkennen. Das Kino ist eine Verführungskunst und das macht es ja auch so spannend, sich mit dem auseinanderzusetzen. Man ist in gewisser Weise schon immer der gefesselte Odysseus, wie es Adorno und Horkheimer in der Dialektik der Aufklärung beschreiben. Man setzt sich diesem Sirenen-Gesang auf der Leinwand immer wieder gerne aus, das ist auch verführerisch, man kann dem immer wieder nachgeben, nur man sollte nie vergessen, dass man sich in einer kritischen Position befindet. Sonst kommt am Ende so etwas dabei heraus wie „Ach, ich mochte den Film einfach“. Aber was heißt das, einen Film einfach zu mögen? Das heißt vielleicht einfach, dass man auf den Film hereingefallen ist. Und das darf natürlich nicht passieren. Deswegen ist das eine sehr harte Disziplin, die es erfordert, sich dem immer wieder auszusetzen.

In einer Spezial-Ausgabe der Filmanalyse bezeichnen Sie Terrence Malick als schrecklichsten Regisseur der Welt. Was halten Sie im Allgemeinen von Begriffen im Superlativ wie „schlechtester“ und „bester“ im Zusammenhang mit Filmen? Gibt es für Sie auch einen besten Regisseur?

Das Terrence Malick-Video war natürlich eine Provokation. Gerne sagt man ja, der schlechteste Regisseur der Welt sei Uwe Boll. Das halte ich für vollkommen falsch. Man unterstellt Uwe Boll damit, er würde große Kunst machen wollen und daran würde er scheitern. Dem ist nicht so. Aber genau das trifft auf Terrence Malick zu. Das sind aufgeblasene Filme, die sich künstlerisch wertvoll geben, aber eigentlich total hohl sind. Das macht diese Filme für mich so furchtbar, so schrecklich, so schlimm. Aus diesem Grund ist Terrence Malick für mich ein viel schrecklicherer Regisseur als Uwe Boll. Uwe Boll macht Unterhaltungsfilme mit besserer oder schlechterer Qualität, aber er will ja gar keine große Kunst machen. Das mit den Superlativen ist natürlich so eine Sache, die sind immer provokativ. Eigentlich kann man Superlative natürlich nur verwenden, wenn man alles gesehen hat. Den besten Regisseur zu küren erfordert also, dass man alle Regisseure kennt. Aber es gibt natürlich Favoriten, die man hat. Bei mir sind das Alfred Hitchcock, Jean-Luc Godard und Ingmar Bergman, die ich für die großen Drei des Kinos überhaupt halte. Aber das heißt natürlich nicht, dass es nicht auch andere sehr gute Regisseure gibt und das heißt auch nicht, dass nicht auch diese drei Regisseure schwächere Filme gemacht haben.

Die Filmanalyse zu Terrence Malick als schrecklichsten Regisseur:

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