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Jahresrückblick 2019 - Sportello745

siBBe

Von siBBe in Der große Jahresrückblick der MB-Redaktion 2019

Jahresrückblick 2019 - Sportello745 Bildnachweis: capelight pictures

DIE TOP 10 FILME 2019: 

1. Burning 

Kann das Verschwinden von etwas (oder jemandem) physisch spürbar gemacht werden? Eigentlich ist dieser Gedanke widersprüchlich, deutete er doch auf eine fundamentale Abwesenheit hin. Lee Chang-Dongs Burning ist voll von derartigen Nicht-Präsenzen. Eine Katze, die nie auftaucht, ein Telefonanruf scheinbar ohne Anrufer und inmitten dessen eine Dreiecksbeziehung, deren emotionale Aufladung sich zwar noch nicht manifestiert hat, aber langsam präsent wird. Der Film ist eine postmoderner Hybrid aus Murakami und Faulkner, aus Geistern der Vergangenheit und der Gegenwart, erzählt durch Bilder, welche sowohl kolossal anmuten und scheinbar alles enthüllen aber dennoch so fragil wirken das nur eine klaffende Orientierungslosigkeit zurückbleibt. Lee Chang-dong hat ein beklemmendes Meisterwerk geschaffen, dessen narrativer Rahmen sich spätestens aber der zweiten Hälfte förmlich beginnt sich vor den Augen des Zuschauers aufzulösen. Am Ende verbleibt ein verwunschenes Enigma zurück, dessen Sog selbst Ewigkeiten nach dem Ausklingen des letzten Bildes nicht aufhört. 

2. Beach Bum 

A portrait of the artist as a stoned man. Irgendwo an den Ufern von Key West sitzt ein zugekiffter Poet mit einer Katze im Arm. Wehmütig betrachtet er die Bierdose, die auf seinem Knie balanciert. Beginnt hier die Erinnerung an die Zeit seines Lebens? An all die Menschen die ihn prägten? Fast scheint es so, aber Harmony Korines Stoner-Traum von einem Film ist narrativ nicht wirklich einordbar. Viel zu oft driftet der Film aus Szenen hinaus und wieder in sie hinein. Es ist eine wilde Mischung aus Traumsequenz, Musikvideo, Drogentrip und feuriger Momentaufnahme. Fast hat man das Gefühl als würde Korine, nachdem er den Lifestyle des 21. Jahrhunderts in Spring Breakers dekonstruiert hat, jetzt nun endlich seinen Spaß an den neonfarbenen Verlockungen haben. Tatsächlich ist Beach Bum so sehr Kino wie wenige Filme dieses Jahr es waren, wahrscheinlich weil sich dieses LSD-Poem dagegen wehrt seinen Eskapismus in irgendeine Moral oder in einen kohärenten Plot einzuordnen. Irgendwo da wo sich das Meer und der Himmel treffen und in die Ewigkeit blicken lassen öffnet Korine die Tore zu einem verqualmten und benebelten Himmel. Ein Film von einem wahrhaft freien Menschen

3. Dragged Across Concrete 

Von Cops und Gangstern. S. Craig Zahlers neuer Film ist ein entschlacktes Crime-Opus voller Abgründe. Wie seine Protagonisten fährt Dragged Across Concrete im gemäßigten Gang und erreicht dennoch ein zügelloses Herz der Finsternis. Zwischen unterschwelligen Sozialproblematiken und gesellschaftlicher Mondänität lauert ein alles zerstörendes Böse, das auf leisen Sohlen und in pechschwarzen Masken gehüllt einen tödlichen Strudel heraufbeschwört. Zahlers Figuren laden dazu ein sie zu verachten und weisen sämtliche Identifikationsversuche konsequent zurück, aber gleichzeitig sind es vielleicht gerade deren durchtriebe Charakteristiken, welche es ihnen erlauben irgendwie durch diese Welt des Chaos zu kommen, wenn auch nicht jeder es ans Ende der Nacht schaffen wird. Zahlers neuer Ausflug in die Welt des erwachsenen Exploitation-Kino mag im Vergleich zu seinen vorherigen Filmen gezügelter sein, entpuppt sich aber recht schnell als ein Film voll ironischer Monstrosität und stellt eine der alptraumhaftesten Visionen der Gegenwart dar, gespickt mit bis zum Ende völlig ambivalent und mehrdeutbaren Charakteren. 

4. Beanpole 

Der Körper schmerzt, der Geist schwächelt, die Gefühle sind verstümmelt, aber die Seele will überleben. Beanpole ist erst Kantemir Balagovs zweiter Spielfilm, aber dennoch versteht der russische Regisseur charakterliche Schmerzstellen jetzt schon besser als zahlreiche reifere Filmemacher. Angesiedelt in Leningrad, nur wenige Monate nach Ende des zweiten Weltkriegs, erzählt dieser erschütternd sanftmütige Film von zwei traumatisierten Krankenschwestern, denen nur noch einander bleibt. Der Krieg selbst ist dabei nicht das Hauptaugenmerk des Filmes und dient eher zur Versinnbildlichung der gebrochenen Beziehungen zwischen den Figuren, welche bis zum Ende hin mehrdeutig bleiben und sich Mustern klassischer Historienbilder verschließen. Balagovs Film erzählt zwar von einer erbarmungslosen Zeit, ist aber dennoch gehüllt in eine verstörende Zärtlichkeit und kommt so den Figuren beängstigend nahe. Die erwärmten Farben Rot und Grün rahmen dabei die versteckten Gefühle der Figuren, welche von verdrängter Schuld bis hin zu uneingestandenem Begehren reichen. 

5. Ein verborgenes Leben 

Terrence Malicks Manifest des Widerstands und der Selbstaufgabe ist weit mehr als ein Fest für die Sinne. Der Regisseur findet innerhalb seines Melodrams vom unabdingbaren Glauben des seligen Franz Jägerstätter die Schönheit genau da, wo andere längst aufgegeben haben zu suchen. Wie Tänzer bewegen sich die Schauspieler über die Leinwand und verschmelzen mit den transzendentalen Aufnahmen der endlosen Wiesen von St. Radegund. Malicks Festhalten an der Schönheit in einer Welt, die vor dem Umbruch steht, gleicht der Willensstärke Jägerstätters. Wie im Kern alle Malick-Filme von der Bedeutung des Einzelnen im Angesicht eines erbarmungslosen Kosmos erzählen streift der Film die Momente eines stillen Innehaltens vor dem menschlichen Verfall. Ein verborgenes Leben offenbart dabei eine majestätische Perspektive auf unser Dasein und auf unsere Bedeutung für die Welt, die um uns existiert. Malick hat erneut ein visuell atemberaubendes Filmerlebnis kreiert in dessen Kern das Herz einer stillen wie bedingungslos entschlossenen Revolution pocht. 

6. Once Upon a Time…in Hollywood 

Es war einmal vor langer Zeit…Immer noch ein einnehmender Prolog für eine Geschichte auf welchen Tarantino nicht zum ersten Mal zurückgreift. Sein neustes Märchen ist im Vergleich zu seinen früheren Filmen handlungstechnisch zurückgenommen und genau deswegen vielleicht der schönste Film seines Schaffenswerkes. Tarantino überlässt die Bühne ganz seinen ausgeklügelten Slacker-Charakteren und beobachtet wohin es sie zieht. Die Zeit mag ihre Rick Daltons und Cliff Booths vergessen haben, Tarantino hält trotzdem an ihnen fest. Gerne verliert man sich in diesem Los Angeles der 1960er mit all seinen TV/Kino-Manien und paranoiden Gefahren, vorbei an den Straßen der Träume und der begrabenen Hoffnungen. Kino war vielleicht schon in den 60ern etwas veraltet, denn außer Sharon Tate geht hier niemand mehr ins Kino, aber deswegen war es nicht weniger magisch. Wenn die Kamera mit Tate den Saal betritt und das funkelnde Licht der 35mm-Leinwand das Bild zu füllen beginnt ist man ganz im Herzen dieser Erinnerung an vergangene Tage angekommen. Ein Film über eine ganz große Liebe. 

7. Her Smell

 Der Begriff “Tour de Force“ wurde für Elizabeth Moss erfunden. Als Punk-Rock-Sängerin Becky Something säuft, kokst, gröhlt und wütet sie über die Leinwand und verschwindet dennoch in Alex Ross Perrys Strudel aus Sinneseindrücken. Her Smell ist ein rauschafter Film voller desorientierenden Schnitten, unkontrollierbaren Kameraschwenks und plötzlichen Close-Ups der sich anfühlt wie der Höhepunkt der größten Underground-Party der Welt. Über weite Strecken ist das zutiefst beängstigend und überlädt alle Sinneseindrücke. Perry offenbart voll inszenatorischer Wagemut ein Leben im permanenten Schwindelzustand und am andauernden taumeln entlang des eigenen Abgrunds. Da der Film nie seine Protagonistin aus den Augen verliert bleiben alle Verbindungen innerhalb des Figuren-Ensembles nachfühlbar und machen Her Smell zu einem zügellosen Charakterdrama voller Wahnwitz. 

8. The Halt 

Die wohl düsterste Dystopie des Jahres geht an Lav Diaz. In gewohnt statischen Schwarz/Weiß Aufnahmen präsentiert der philippinische Regisseur eine Zukunft in der das Licht der Sonne lange ausgegangen ist, in der umherfliegende Drohnen alles überwachen und in der Massenhinrichtungen auf offener Straße stattfinden. Dabei richtet Diaz seinen Blick auf mehrere Individuen innerhalb dieser dunklen Welt und beleuchtet deren vereinzelte Konflikte sowohl mit Nüchternheit wie auch mit entwaffnender Empathie. Ein wahnsinnig gewordener Diktator, der mutterseelenallein in seiner Villa ein Lied trällert, ist ein ebenso geniales Bild wie das Treffen einer, nach Tierblut dürstenden, Sekte. Menschlichkeit ist hier das was man sich nimmt. Diaz Film mutiert bei voranschreitender Laufzeit in die Chronik einer Nation die sich erneut finden muss. The Halt ist großes, auf seine elementaren Aspekte heruntergebrochenes, Sci-Fi-Kino 

9. The Irishman 

Der Mafiafilm findet sein Ende, aber nicht mit einem Knall, sondern mit einem langen, leisen, einsamen und beklemmenden Seufzen. Martin Scorsese versammelt erneut De Niro und Pesci sowie erstmals Al Pacino, um ein erschütterndes Requiem auf die Self Made-Männer aus der Welt des organisierten Verbrechens anzustimmen. Eine hochstilisierte Ekstase des Lebens außerhalb der Bürgerlichkeit bleibt dabei aus. In The Irishman sind Verbrecher fast nur noch trockene Geschäftsmänner. Von glorreichen Tagen sehen wir hier nichts mehr, ebenso bleibt kein Moment der Rechtfertigung. Auch die Gewaltdarstellung tritt völlig in den Hintergrund und wird fast nur noch fragmentiert eingefangen, von Faszination fehlt jede Spur. Dabei verschwendet Scorsese keine Sekunde seiner 210 Minuten Laufzeit und widmet jede davon der Kreation eines, ganze Dekaden umspannenden, Kosmos in dessen Mitte die Reflexion eines Mannes steht, dem nur noch die eigene Reue geblieben ist. Ein zutiefst trauriges und sehr weises Alterswerk. 

10. High Life 

Auf den ersten Blick mutet Claire Denis Space-Odyssee mit Horror-, Sleaze- und Trashelementen wie ein typisches Survival Drama an. Bei genauerer Betrachtung enthüllt sich High Life jedoch als Film der präzise und auf minimalsten Raum begrenzt nach den großen Fragen der Menschlichkeit greift. Ein Trupp aus Schwerverbrechern wird in den unendlichen Weiten des Alls mit der eigenen animalischen Natur konfrontiert, während die Lage immer auswegloser wird. Denis Zukunftsvision interpretiert den Menschen nur noch als fremddeterminierten Faktor, dessen Körper auf eine Symbiose aus Blut, Sperma und manchmal Brustmilch runtergebrochen wird. Reproduktion ist hier das ultimative Ziel. Dennoch aber existieren in diesem Kosmos Momente aufrichtigster Humanität, welche Licht in die Finsternis der Unendlichkeit werfen. High Life ist zugleich beklemmender Abgesang wie schmerzhaft aufrichtige Liebeserklärung an unsere scheinbar überholte Spezies. 

Erwähnenswert: Zombi Child, Martin Eden, Parasite, Porträt einer jungen Frau in Flammen, Midsommar, The Souvenir, Mid90s

DIE FLOP 5 2019:

1. Die Kunst des toten Mannes

Die eigentlich vielversprechende Karriere von Dan Gilroy hat mit dieser missglückten Showbusiness-Klamotte einen gewaltigen Dämpfer abbekommen. Die Kunst des toten Mannes ist ein alberner Kindergeburtstag. Als Satire rennt der Film längst offene Türen ein, als Horrorfilm ist er weder erschreckend noch kreativ. Die überspielenden Darsteller fügen sich dann noch perfekt in diesen spießigen Karneval im Saturday Night Live-Stil ein. 

2. Es - Kapitel 2

So ungruselig Kapitel 1 dieser Stephen King-Adaption bereits war, die Figuren wirkten als wären sie es Wert, dass man sich für sie interessiert. Leider tut das ausgerechnet dieser zweite Teil nicht wirklich. Sind die vergrabenen Kindheitstraumen erst einmal wieder an die Oberfläche geraten fällt dem Film nichts mehr ein und mündet stattdessen in eine seelenlos, trockene Spukshow. Alle Konflikte wirken reißbretthaft und den dummen Clown kann man bereits ab seinem ersten Auftritt in diesem maßlos überlangen Film nicht mehr sehen. This ain`t it!

3. Alita: Battle Angel 

Man ist fast geneigt sich in den großen, auf die Welt voller Ehrfurcht und Neugier blickenden, Augen von Alita zu verlieren. Nur leider ist der Film um sie herum zutiefst fehlgeleitet. Zwar fängt Rodriguez das Androiden-Mädchen voller Erhabenheit ein, den Rest seiner austauschbaren futuristischen Vision verbleibt als unentschlossenes Bombast-Kino voller unsinnlicher und nur noch betäubender Action, das im Finale endgültig jeden charakterlichen roten Faden verliert. Schade, fühlt sich der Film doch in seinen stärksten Momenten nach einer rohen, einzigartigen Vision an. 

4. The Forest of Love 

Quo vadis, Sion Sono? Der erste Netflix-Film des japanischen Enfant Terribles mangelt es weder an Ambition noch an Perversität, dennoch fühlt sich der neuste Ausflug in sein krankes Kabinett ermüdend und hohl an. Sono betreibt Selbst-Recycling der anstrengenden Art, wenn zahlreiche Motive aus bisherigen Filmen übereinander gestülpt werden. Zwar schlummert in seinem Film die ein oder andere brauchbare Idee, diese gehen jedoch meistens in dem vorhersehbaren Konzept des Filmes unter. 

5. John Wick: Kapitel 3 

Sicherlich bietet auch in dieser Teil des Franchise mitreißende Action und einen eleganten Keanu Reeves, dennoch aber stellt dieses dritte Kapitel um den erbarmungslosen Hunderächer einen Rückschritt dar: Das fast mythisch aufgeladene World-Building und die ästhetisch kraftvollen Set-Pieces des Vorgängers werden eingetauscht mit unpassenden und albernem Einfällen an der Grenze zur Selbst-Parodie sowie der Unfähigkeit, der Figur John Wick neue Facetten abzugewinnen. Kein schlechter Film aber eine enttäuschende Weiterführung.

GEHEIMTIPPS aus 2019: 

Eine Kolonie: Die kanadische Antwort auf US-Teeniefilme und einer der ergreifendsten Coming-of-Age-Geschichten der letzten Jahre. 

Monos: Der audio-visuell schönste Abstieg in die Hölle des Jahres. Just Don`t Think I`ll Scream: Selbsttherapie als Film-Essay. Durch die Montage kurzer Ausschnitte aus anderen Filmen erzählt Frank Beauvois uns von seinem Leben. 

Monrovia, Indiana: Wisemans bodenständiger Blick auf eine US-amerikanische Kleinstadt

Tlamess: Ein wahnwitziger und spielerisch freier Filmtrip.

10 MOST WANTED FILME 2020: 

After Yang  

Bendetta 

Blonde 

Dune 

First Cow 

Last Night in Soho 

Memoria 

Tenet

Undine 

Waves 

MEIN SERIENJAHR 2019:

 Was die Beschallung aus dem kleineren Bildschirm angeht bin ich dieses Jahr eher weniger bewandert. Nichtsdestotrotz soll es drei Erwähnungen geben: Mit Undone lotet Raphael Bob-Waksberg die Grenzen des visuellen Erzählens aus und präsentiert einen Trip voller Kreativität und Anmut. Ansonsten gab es mit Euphoria dieses Jahr das wohl schonungsloseste und ehrlichste Generationsporträt seit langem welches nicht nur das schauspielerische Talent von Zendaya unter Beweis stellt, sondern auch auf innovative Art und ohne Verurteilung von Teenager-Angst erzählt. Das Highlight geht jedoch auf die Kappe von Nicolas Winding Refn. Dessen überlange und herrlich selbstbesoffene Stream-Serie Too Old To Die Young bewegt sich an den Grenzen des Fernsehens und bereitet neue Wege für die Möglichkeiten des Slow-„Cinema“.

Fazit: 

Ich kann mich wirklich nicht beschweren. Hinter mir liegen an die 200 Kinobesuche, vier Festivals und sogar mein erstes filminternes Interview. Ein großer Dank geht raus an die Seite Moviebreak, die mir vieles davon ermöglicht hat, sowie an alle Leser und Filmbegeisterte. Es war ein aufregendes und episches Jahr, welches mich dennoch mit Lust auf noch mehr zurücklässt. 2020 kann kommen.

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