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Bilder des Zerfalls: Im Klammergriff der Kontroverse – Teil 10

von Pascal Reis

Einer der großen Skandalkracher aus dem asiatischen Raum – Und passenderweise natürlich auch von Tausendsassa, Provokateur und Allesfilmer Takashi Miike in Schale geworfen, dem, so hat man oftmals den Eindruck, Quantität über Qualität geht: Gefühlt 10 Filme feuert das aus Yao stammende Multitalent jährlich auf den Markt, nicht mal eine Handvoll davon scheinen vom Feuilleton wirklich Aufmerksamkeit zugesprochen zu bekommen – jedenfalls im europäischen Territorium der westlichen Hemisphäre. Aber mal ganz davon abgesehen, wie viele Filme Miike im Jahr auf die Beine stellt, gehört er immerhin schon zu den arrivierten Künstlern, die es durchaus geschafft haben, sich einen Namen in der Branche zu machen – und auch einige Werke zu inszenieren, die sich nicht nur sehen lassen können, sondern, wie beispielsweise „Audition“ aus dem Jahre 1999, in ihrer Mannigfaltigkeit schlichtweg beeindrucken. Dass Miike definitiv auf so intelligente wie wahnwitzige Art und Weise versteht, wie man mit dem Medium verfahren kann, soll hier heute aber nicht angezweifelt werden.

Diese Aussage wäre ohnehin nur polemischer, unfundierter Unsinn - Miike hat es drauf, wenn er will und ihm die entsprechenden Resourrcen zur Verfügung stehen. Stattdessen rückt nun einer seiner a-b-s-o-l-u-t-e-n Kultfilme ins Rampenlicht: Die grelle Manga-Adaption „Ich the Killer“ von 2001. Und es fällt nicht schwer nachzuvollziehen, warum sich „Ich the Killer“ in Windeseile einen solch prominenten Ruf erarbeiten konnte: Wer mal wieder ein massives Interesse daran verspürt, sich an exzessiven (und sexualisierten) Gewalteskapaden zu ergötzen, der ist bei „Ichi the Killer“ an der richtigen Adresse angekommen. Da werden menschlicher Körper durch perverseste Praktiken deformiert und gefoltert, ob es sich dabei um Fleischerhaken handelt, die durch das Rückenfleisch gezogen werden, Frauen, die bis in die Besinnungslosigkeit geprügelt und anschließend vergewaltigt werden, abgetrennte Zungen oder ein im Schuh verstecktes Sprungmesser, welches Menschen vom Scheitel abwärts halbiert, damit die Körperhälften auch süffisant auseinanderbrechen dürfen - „Ichi the Killer“ generiert aggressive Signalreize am Fließband. Natürlich steht die brutale Eskalation aber fadenscheinig in einem bedeutungsschwangeren Kontext, der „Ich the Killer“ irgendwie vermessen erscheinen lässt.

Takashi Miike und Sakichi Sato, der Hideo Yamamotos Manga-Vorlage kinotauglich bearbeitet hat, wollen Gesellschaftskritik verüben und den Zuschauer darauf hinweisen, wie extrem unsere Welt doch schon von Gewalt jeder Couleur verseucht ist. Dabei begeht „Ichi the Killer“ im Endeffekt den gleichen Fehler wie ein Oliver Stone in seiner (ebenfalls kultisch verehrten, aber durchweg misslungenen) Medien-Schelte „Natural Born Killers“: „Ichi the Killer“ ist ebenfalls eine irrsinnige Bilderflut, die in ihrem visuellen Firlefanz nur noch einmal bestätigt, wie deutlich Takashi Miike dem eigenen Sujet auf den Leim gegangen ist. Selbstverständlich, es handelt sich hier um eine Manga-Verfilmung, dennoch besitzt dieser Film die Intention, eine Botschaft, eine Anregung, einen Verweis zu kreieren und unterliegt genau der bestialischen Faszination, die er mit einer mal mehr, mal weniger komödiantischen Treffsicherheit eigentlich versucht anzuprangern: Abschlachten und Verstümmeln als groteskes Unterhaltungsmittel. „Ichi the Killer“ schmeckt überwiegend nach Anarcho-Vollspann um des Anarcho-Vollspann willens, was ihn in seiner selbstzweckhaften Kontroversität schnell erschöpft, abflacht, trivialisiert.

Es gehört schon viel Wohlwollen dazu, dem schrillen „Ichi the Killer“ eine aufrichtige Teilnahme an der psychopathologischen Dimension seines titelgebenden Rächers zu geben, der aber spielt in seinem eigenen Film nur eine Nebenrolle. In „Ichi the Killer“ dreht sich das Geschehen vielmehr um den exzentrischen Kakihara (Tadanobu Asano), der sich auf den Weg zu Ichi (Nao Omori) macht, um in seiner masochistischen Ader mal wieder so richtig heftig stimuliert zu werden. Motiv des Films nämlich ist nicht nur Gewalt per se, sondern die (Unter-)Kategorien Sadismus und Masochismus, die sich in unserer Gesellschaft an allen Ecken und Enden wiederfinden – und natürlich auch in den Menschen, die nur zu gerne so tun, als würden diese Aspekte keine Rolle in ihrem Leben spielen. Die sexualisierten Spiele um Kontrolle und Unterwerfung beginnen schon in der simpelsten Machtphantasie und lassen sich, einmal in den Geschmack gekommen, über einen Menschen verfügen zu können, stetig ausdehnen.

Aber „Ichi the Killer“ schert sich eben nicht um diesen, um seinen Kontext, der ist und bleibt müde Attitüde. Ihn interessieren vielmehr die omnipräsenten Bäche aus Blut und die Tonnen von Gekröse, mit denen man aufwarten kann, ohne zu bemerken, dass sie in diesem bemüht-sarkastischen Überdruss das anspruchsvolle Anliegen des Films geradezu überrennen. In seiner ungefilterten wie unreflektierten Lust an Deformation ist „Ichi the Killer“ letzten Endes genauso eskalativ wie er auch infantil ist.

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