8.4

MB-Kritik

There Will Be Blood 2007

Drama – USA

8.4

Daniel Day-Lewis
Martin Stringer
Matthew Braden Stringer
Jacob Stringer
Joseph Mussey
Barry Del Sherman
Harrison Taylor
Stockton Taylor
Paul F. Tompkins
Dillon Freasier
Kevin Breznahan
Jim Meskimen
Erica Sullivan
Randall Carver
Coco Leigh
Paul Dano

Inhalt

Daniel Plainview (Daniel Day-Lewis) versucht Ende des 19. Jahrhunderts sein Glück als Schürfer auf der Suche nach Silber doch er entdeckt bei der harten Arbeit eines Tages eine Ölquelle. Für den nur auf Profit eingestellten Einzelgänger erschließt sich eine neue Obsession und schon bald beginnt er seine Arbeit im Ölgeschäft. Schon früh kommt sein Partner zu Tode, woraufhin Daniel sich dessen Sohnes annimmt, der als Waise zurück blieb. Doch auch diesen Schritt wählt Daniel nur um sich Vorteile zu erschleichen und so steigt er durch Rücksichtslosigkeit, Betrug und harte eigene Arbeit zu einem schwerreichen Ölbaron auf. Sein Ziehsohn H.W. (Dillon Feasier) dagegen verliert sein Gehör bei einem Unfall an der Ölpumpe. Im Laufe der Jahre wächst Daniels Vermögen und mit ihm sein grenzenloser Hass auf die Menschen…

Kritik

"I want no one else to succeed. I hate most people ... there are times when I look at people and see nothing worth liking. I want to earn enough money that I can get away from everyone."

2007 erschien Andersons „There Will be Blood“ und schlug ein, wie eine Bombe. Ausgestattet mit einer düsteren Inszenierung, einer durchtriebenen Charakterstudie und nicht zuletzt mit der wohl besten Schauspiel-Leistung in der Karriere des Daniel Day-Lewis, war die Geschichte um den Öl-Monger Daniel Plainview ein großer Kritikererfolg und wurde für acht Oscars nominiert. Wie man es von Anderson gewohnt war, der mit „Magnolia“, „Boogie Nights“ und „Punch-Drunk Love“ Filme für die Ewigkeit schuf, war auch „There Will Be Blood“ gekommen um zu bleiben. Und selbst sieben Jahre später glitzert das Öl-Drama auch weiterhin mitunter am hellsten am Film-Nachthimmel.

Dass auch „There Will Be Blood“, wie auch schon alle Filme mit Daniel Day-Lewis in der Hauptrolle zuvor, mit dem Londoner Darsteller steht und fällt, ist der Grund, weshalb Paul Thomas Andersons Filmdrama um Gier, Neid und Glaube, Religion und Kapitalismus es ins Filmolymp geschafft hat. „There Will Be Blood“ ist der psychologische, sowie moralische Werdegang eines Menschen, der in seiner Gier nach Reichtum und Macht zunächst seine Moral, später seine Würde und Integrität aufgibt, während der Prozess ihn zu einem skrupellosen Monster formt. Paul Thomas Anderson wandert auf den Pfaden eines Scorsese, was seine Handlung angeht, indem er die gnadenloseste  Charakterstudie seit „Raging Bull“ auf die Leinwand zaubert. Auf den Pfaden eines Kubrick, indem er die herausragende Atmosphäre binnen weniger Sekunden durch Kamera, Setting und Stille wie aus dem Nichts heraufbeschwört. Und auf den Pfaden eines Leone, indem Anderson die Landschaft zu einem Darsteller befördert, lange Kamerafahrten und minutenlange Montagen mit einer perfekten Soundkulisse vereint. Anderson zelebriert seine Bilder in all ihrer Tristesse und Grazie, Trostlosigkeit und Schönheit, wobei Daniel Day-Lewis in seiner Umgebung seine Arbeit verrichtet, und wir ihm dabei zusehen dürfen.

Nach dem trocken-staubigen Ersteindruck entpuppt sich in „There Will Be Blood“ einer der intelligentesten Plots des letzten Jahrzehnts. Wobei ein kritischer Verweis zur amerikanischen Politik Bushs kaum zu übersehen ist, ist der Film in erster Linie eine Charakterstudie des Daniel Plainview, der Emotionen wie Gier, Ehrgeiz und Rachsucht in seiner Handlung erzählt und mit brillanten Kameraeinstellungen Robert Elswits und dem Schauspiel Day-Lewis' auf der Leinwand projiziert. An zweiter Stelle funktioniert „There Will Be Blood“ auch hervorragend als Parabel über die amerikanische Außenpolitik und des Kapitalismus. Daniel Plainview ist einzigartiger Charakter, der sich nicht als Teil der Gesellschaft sieht und durch den Fakt, dass er dies dennoch ist und auf Mitmenschen angewiesen ist, letztendlich in den Wahnsinn getrieben wird. Zwar kann man behaupten, er sei schon als soziales und moralisches Wrack zu Beginn des Filmes „wahnsinnig“, bei Daniel Plainview reduzieren sich jedoch Zustände wie Wahnsinn und Größenwahn zur relativen Normalität. In anderen Menschen sieht Plainview nur Werkzeuge, die er nutzen kann, um möglichst schnell seine Ziele zu erreichen. All seinen gesprochenen Sätzen und Antworten geht immer eine Millisekunde der Überlegung voraus, in der er seine Worte formt um die maximale Portion Manipulation aus ihnen zu kitzeln. Dies zeigt sich insbesondere in seinen Dialogen mit dem fanatisch-religiösen Eli, der sich als besonders kniffliger Fall herausstellt. Die Zeit, die er sich nimmt, um zu antworten fällt einen Augenblick länger aus, als sonst. Dass diese dezent längere Pause sichtbar und existent ist, jedoch so unauffällig, dass man schon das Gefühl hat darauf hingewiesen werden zu müssen, um es zu erkennen, ist ein weiteres Beispiel der nuancierten und perfekt getimeten Performance von Daniel Day-Lewis.

Während Daniel Plainview den Kapitalismus und die Gier verkörpert, steht Eli für den extremen Fundamentalismus und Religion. Und obwohl sowohl der Kapitalismus, als auch Religion ihre positiven Seiten besitzen, exerziert Paul Thomas Anderson in seinem Drehbuch die dunkelsten Ecken beider Ideologien. Und so fällt es schwer, als objektiver Zuschauer einer Seite Recht zu geben. Auch krönt Anderson dabei weder die Religion noch den Kapitalismus zum Sieger dieser Debatte. Während die meisten Autoren, dem Antihelden am Ende der Reise Katharsis gewähren, besiegelt Plainview mit seiner absoluten und letzten Tat ein für alle Mal sein Schicksal. Mit seinen letzten Worten „It's finished“, Worte, die Jesus selbst am Kreuz hängend gesagt haben soll, deutet Plainview seinen eigenen endgültigen seelischen Tod an.

Fazit

Gerade einmal 44 Jahre hat Paul Thomas Anderson auf dem Buckel und kann dennoch bereits auf diverse Meisterwerke zurückblicken. Genau wie Tarantino auch, war Anderson nie auf einer Filmschule und erlernte sein Handwerk durch „learning by doing“ und genau wie Tarantino kommt er nicht umhin in seinen Filmen Aspekte großer Filmklassiker auf bewundernswert clevere Weise unterzubringen. Dabei funktioniert sein Charakterdrama „There Will Be Blood“ auch als eigenständiges Werk über Gier, Religion, Kapitalismus, Fundamentalismus, Neid, Hass und dem Abgrund einer menschlichen Seele. Plainview und der selbsternannte Messias Eli sind zwei Extreme in der Gesellschaft des amerikanischen, beginnenden 20. Jahrhunderts. Gier trifft auf Religion, Selbstsucht auf Engstirnigkeit, sodass sich Daniel Plainview von einem Aufeinandertreffen zum nächsten mit Eli und generell „Menschen“ zur Spitze seines diabolischen Seins hinauf schaukelt und bedrückende und deprimierend-wahre Parallelen zur amerikanischen Gesellschaft der Bush-Ära zieht, die getrieben war von ihrem Gier nach Öl, religiösem Fundamentalismus und Kapitalismus. „There Will Be Blood“ steht und fällt mit Daniel Day-Lewis' außerirdisch-brillantem Schauspiel und ist Filmkunst für die Ewigkeit, die noch lange analysiert und interpretiert werden wird.

Autor: Kadir Güngör
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