MB-Kritik

Absolut 100 2025

Thriller

Anita Ognjanovic

Inhalt

Die neunzehnjährige Sonja ist Juniorenmeisterin im Schießen. Ihre Mutter lebt im Ausland, und ihr Vater, ein Kriegsveteran, ist so hoch verschuldet, dass er, Sonja und ihr älterer Bruder möglicherweise aus dem Haus fliehen müssen. Ihr Bruder versucht, die Situation durch zwielichtige Machenschaften zu klären, doch als er Zeuge eines Verbrechens wird, gerät er ins Visier eines örtlichen Schlägers. Um ihre Familie zu schützen, beschließt Sonja, das Recht selbst in die Hand zu nehmen.

Kritik

Kalte, entsättigte Bilder, eine zeitgemäße weibliche Perspektive und ein unerbittlich pessimistischer Blick auf institutionelle Korruption und sozialen Zerfall verleihen Srđan Golubovićs (Klopka - Die Falle) Remake seines gleichnamigen Films einen schärferen Fokus als dem 2001er Original. Zweites erzählte das düstere Grundszenario als Geschichte zweier Brüder, deren jüngerer sein Talent als Sportschütze einsetzt, um seinen bei Gangstern verschuldeten Bruder zu helfen. Die in einer heruntergekommenen serbischen Kleinstadt angesiedelte Neuauflage adjustiert die Story mit einem nicht minder tödlichen weiblichen Fokus. 

Während ihr nach dem Dienst im Kosovo-Krieg invalide Vater (Boris Isaković, I know Your Soul) mit seiner Schuldenlast kämpft und ihr älterer Bruder Vuk (Miodrag Dragičević) für den kriminellen Sohn des örtlichen Polizeichefs als Fahrer arbeitet, trainiert die 19-jährige Sonja (eindrucksvoll: Anita Ognjanović) für die Landesmeisterschaft im Scharfschießen. Ihre von der Mutter, die vor Jahren ins Ausland gegangen ist, erlernte Expertise ist die Hoffnung der angeschlagenen Familie, materiell über die Runden zu kommen. Soziale Mobilität verschaffen sonst nur Korruption und Kriminalität. 

Beide wuchern in den deprimierenden Betonkulissen postjugoslawischen Sozialbauten, deren graue Härte die emotionale Härte und das desillusionierte Zeitbild spiegeln. Als Vuk einen Handlanger seines Vorgesetzte bei einem Mord beobachtet, sieht Sonja nur einen Weg, ihn zu beschützen. Sie setzt ihr Schusstalent auf mörderische Weise ein - doch der blutige Akt, der die Gewaltspirale beenden sollte, setzt sie erst richtig in Gang. Über sechs Episoden, verdichtet zu einem epischen Kriminalepos, entfaltet sich das pessimistische Porträt einer von Kriegstrauma, skrupellosem Sozialdarwinismus und normalisierter Korruption gezeichneten Gesellschaft. 

Fazit

Die unterschwellige Systemkritik und das schonungslose Sozialbild, in dem sich selbst unscheinbare Kleinfamilien an menschlichen Abgründen wiederfinden, brachte dem kargen Krimi, den Srdan Golubović in Co-Regie mit seinen Adepten Stefan Ivančić, Katarina Mutić und Nikola Stojanović inszenierte, in ihrer serbischen Heimat ein Verbot ein. Ein verkapptes Kompliment für die Realitätsnähe des in konzentrierten Kameraaufnahmen eingefangenen Hintergrunds ethischer Verwahrlosung und psychischer Abstumpfung. Ein starkes Ensemble, angeführt von Anita Ognjanović, zieht den Coming-of-Age-Krimi problemlos über pathetische Patzer hinweg. 

Autor: Lida Bach
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