Bildnachweis: © Neue Visionen Filmverleih

Moviebreak Monatsrückblick: August 2025

von Sebastian Stumbek

Meine filmischen Highlights des Monats

In die Sonne schauen

Ein finsteres, zugleich betörendes Porträt vierer Frauen in der Altmark zeichnet Mascha Schillinski über vier Generationen hinweg. „In die Sonne schauen“ entwickelt sich dabei zu einem Film über vererbte seelische Narben, indem die Regisseurin die Zeit in den Räumen auflöst. Dadurch bekommt der Streifen eine verstörende Gleichzeitigkeit erlebter Traumata und Schutzlosigkeit, des Fremdelns mit sich und der Familie als auch des Liebäugelns mit dem Tod.

Schnitt und Sounddesign machen die filmische Reise geradezu hypnotisch. Dröhnende bebende Klänge gehen mit harten Schnitten einher, während der Film immer mehr ins Pechschwarze abdriftet und dabei an David Lynchs „Mulholland Drive“ erinnert. Dass hier öfter mal ein Knistergeräusch, in Form einer Nadel am Ende einer Schallplatte, zu hören ist, geschieht nicht zufällig. Schillinski greift die Außenwahrnehmung seiner Protagonistinnen auf, indem sie Szenarien ausmalt. Wie verschafft man sich Gehör und wie entrinnt man dem vom Mann geführten System, um nicht „umsonst zu leben“, wie es im Film heißt.

Etwas zu lang ist „In die Sonne schauen“ geraten, aber der Eindruck könnte in einem Rewatch verschwinden. Auch so bleibt Schillinskis episches Familiendrama ein durchweg klasse gespielter Film, den man als Oscar-Kandidat für Deutschland nur viel Erfolg bei der nächsten Verleihung wünschen kann.

Nobody 2

Von schwerer zu leichter Kost: „Nobody 2“ möchte das Publikum einfach nur unterhalten. Saftige und ordentlich eingefangene Action, minimaler Schnickschnack, bisschen „Family“-Dressing, zack fertig ist die Laube in gerade einmal 90 Minuten. Mit dem Ensemble um Bob Odenkirk kommt Regisseur Timo Tjahjanto besser zurecht als noch mit seinem überdrehten Cast und dem indonesischen Humor in „The Big Four“. Die Starpower ist tatsächlich eher „nice to have“, dafür ist die Aufbereitung der Schauplätze in Plumerville, Arkansas – allen voran der Jahrmarkt – umso wichtiger und gelungen. Pures Afterwork-Kino mit dem schrägsten Musik-Drop des Jahres.


Meine filmischen Flops des Monats

Sirāt / Rave On

Binnen drei Wochen bekamen Zuschauer:innen ordentlich Techno im Kinosaal auf die Ohren mit „Sirāt“ und „Rave On“. In Oliver Laxes Beitrag raven wir mit den wandernden Tourist:innen am gefühlten Ende der Welt im westlichen Teil der Sahara, im Film von Viktor Jakovleski und Nikias Chryssos mit einem Techno-Produzent in einem fiktiven Berliner Techno-Schuppen. Beide Male kommt das derzeit angesagte Musikgenre mit starken Soundtracks voll zur Geltung – und beide Filme wissen narrativ nur zu enttäuschen, das ist wirklich schade.

„Sirāt“ lässt eingangs die Boxen warmlaufen, wenn Kangding Rays „Amber Decay“ knarzt und wummert. Anschließend führt Oliver Laxe die Suche eines Vaters und dessen Sohnes nach der Tochter ein, um das Fundament für ein Road-Movie zu schaffen, inmitten eines Krieges im Süden Marokkos, nahe Mauretanien. Gemäß dem Filmtitel löst der Regisseur das Genre auf und ergründet den Ritt auf der Rasierklinge, „zwischen Hölle und Paradies“. Die Wendungen sind so radikal, dass sie dem Cast in der bis dahin vergangenen Zeit gar nicht gerecht werden. Die Figuren von Sergi López und Bruno Núñez bleiben blass, ähnlich ergeht es den Nomad:innen. Der gewünschte anhaltende Schock in einem Selbst bleibt in den zentralen Momenten aus. Hinten raus wird es geradezu komisch. Beats und Synthesizer-Töne ertönen in der Wüste, die musikalische Energie jedoch versandet, ebenso wie die menschliche. Diese Hoffnungslosigkeit und Leere macht Laxe zwar zum Gegenstand seines Films. Die erzählerische Brechstange dafür aber auszupacken, hätte es nicht gebraucht.

„Rave On“ hat wiederum einen von Beginn an dürftigen Erzählrahmen, in dem Aaron Altaras noch ein paar Stunden im Club ausharren muss, bis er sich bei seinem DJ-Vorbild Troy Porter mit einer Platte für einen früheren Vorfall entschuldigen kann. Bis zu diesem Moment kommt er wenig überraschend mit den verschiedensten Drogen in Kontakt, das Dschungel-gleiche Abenteuer im Club verkommt dabei zum finsteren Touristentrip. Eine Auseinandersetzung mit dieser Berliner Rave-Kultur wagt der Film aber nicht. Dass sie im vergangenen Jahr auch noch als Unesco-Weltkulturerbe ausgezeichnet worden ist, macht es nicht besser, sondern dringender.

Bring Her Back

Um das Thema Trauer kreisen die Philippou-Brüder weiterhin. Mit „Bring Her Back“ fragt man sich aber schon, wozu es den Horror bedarf. Found-Footage über einen aufwändigen Todeskult soll eine Brücke zwischen Horror und psychologischem Drama schlagen. Das dient aber lediglich als Fundament für Ekel der höchsten Güte. Die Szene, in der Oliver ein Stück Mango spendiert bekommt, ist eine der widerlichsten des Jahres, keine Frage. Der Bezug zum Thema Trauer fehlt dabei komplett, eher kommt die Traumatisierung eines Kindes durch eine von Riten bessenene Pflegemutter dem Ganzen näher. Aber letzteres Thema für einen Horrorfilm gar auszukosten, das ist bedenklich. Ähnliches gilt der fast erblindeten Piper: Sie wird dank bewusst verzögerter Figurenentwicklung zum Spielball der Regisseure. Der Soundtrack klingt viel zu erzwungen und das „Ordnungsperson schaut sich nach einer Beschwerde im Haus der Verdächtigen um und findet nix Auffälliges“-Klischee lässt die Augen rollen. Als Drama plagt „Bring Her Back“ ein auferlegtes Genre, das sich wie ein Fremdkörper im Film anfühlt.


Diese Filmlücken konnte ich endlich schließen

Frankenstein (1931)

Die natürliche Schöpfung übertrumpft mit einem von Menschen erschaffenen „Monster“ innerhalb eines Experiments – die Anführungszeichen sind bewusst gesetzt. Denn Boris Karloffs legendäre Darbietung einer zusammengefügten Person ist in ihrer Gebrechlichkeit so menschlich, dass man mit seiner Figur im Finale fühlt. Hier fremdelt ein erschaffener Mensch mit sich selbst, mit seiner Umwelt und stolpert durch Letztere. Eine Traurigkeit befindet sich im Kern von James Whales Film, die mit jeder Sichtung immer mehr zur Geltung kommen wird.

Koyaanisqatsi

Kein Erzähler, keine Dialoge, dafür ein erstklassiger Soundtrack und Bilder eines „verrückten, sich im Aufruhr befindenden Lebens“ mit den Vereinigten Staaten als Subjekt. Wer Koyaanisqatsi gesehen hat, kann „Baraka“ im Anschluss in die Watchlist aufnehmen. Denn für die Kameraarbeit in Godfrey Reggios ersten Teils seiner Qatsi-Trilogie zeichnet Ron Fricke verantwortlich. Seine Zeitraffer-Aufnahmen eines Landes im technischen Wandel Anfang der 1980er-Jahre in Verbindung mit Philip Glass‘ unaufhörlichen Akkorden sind atemberaubend und unheimlich zugleich. Ein bedrückendes Zeitdokument, in der die Vorstellungskraft und hohe Geschwindigkeit der wirtschaftlichen Expansion von uns Menschen die Natur verdrängt, konzentriert und ihre ursprünglichen Gegebenheiten zerstört, ohne Rücksicht auf eigene Verluste. Gesehen in einem temporären Open-Air-Kino in Bremen.

Was ich im September sehen möchte

The Long Walk von Francis Lawrence
One Battle After Another
 von Paul Thomas Anderson
Highest 2 Lowest
 von Spike Lee


Was mich neben Moviebreak aktuell oder demnächst beschäftigt

Work, work and work.

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