Bildnachweis: © HBO

Aurea guckt Game of Thrones Staffel 5.9

von Sandra Scholz

Wir sind schon wieder am kritischen Punkt jeder einzelnen Staffel "Game of Thrones" angekommen: Folge 9. Vier Staffeln lang lieferte die neunte Episode uns entweder eine wirklich eindrucksvolle Schlacht (Blackwater in Staffel zwei, Castle Black in Staffel vier), oder wir mussten viel zu hohen emotionalen Tribut zollen (Baelor in Staffel eins und die Red Wedding in der dritten Staffel). Theoretisch könnte man darin ein Muster erkennen, und so rechnete ich bereits vor der Folge damit, in irgendeiner Weise einen harten Tritt mitten in die Gefühle zu kassieren. Und was soll ich sagen? Staffel fünf mischt erfolgreich das Emotionale mit dem Epischen, und heraus kommt eine ganz wundervoll geteilte Episode. Stürzen wir uns also ein vorletztes Mal gemeinsam in die Ereignisse, die da hinter uns liegen. 

 

Nachdem die letzte Woche ziemlich eisig war, macht es nur Sinn in dieser Folge einfach alles in Flammen aufgehen zu lassen. Sicher, es gibt auch ruhigere Momente. Jon kommt zurück an die Wall, und nach ein bisschen Spannungsaufbau lässt Ser Alliser die ganze Mannschaft passieren. Unter zahlreichen zusammengekniffenen Augen wandern die Wildlinge durch Castle Black. Jon darf sich derweil anhören dass er ein gutes Herz besitzt, und dass diese Tatsache ihm und allen Anwesenden eines Tages zum Verhängnis wird.  Ansonsten war es in dieser Woche an der Wall ruhig. Natürlich demonstriert das Geschehen aber eines: das Scheitern. Jon ist direkt in mehrfacher Hinsicht gescheitert. Seine Männer denken, die Wildlinge mit einzubeziehen ist ein riesiger Fehler. Und er selbst findet, er hätte mehr Leute vor dem Angriff der White Walker und ihrer Zombies retten müssen. Das reiht sich ein in den Grundtenor der Serie: es gibt keine guten, keine richtigen Entscheidungen. Niemand kann nur gewinnen. Ein Thema, welches sich auch durch diese Episode zieht.


In Braavos geht Arya ihrem Geschäft nach, doch die Ankunft von Ser Meryn Trant macht ihrem eigentlichen Plan einen fetten Strich durch die Rechnung. In bester Assassin's Creed Manier schleicht sie mit ihren Austern hinter dem Fiesling her. Mace Tyrell regelt derweil Bankgeschäfte, und er ist ein ganz und gar nerviger Kunde. Diese Sorte Kunden, die so extrem nervig sind, aber man muss trotzdem nett zu ihnen sein, weil man sonst Stress mit dem Chef kriegt? So einer ist Mister Tyrell. Urgh. Gegen Ser Meryn und seine Gelüste ist er allerdings ein richtiger Sympathiebolzen. Da stellt sich gleich die Frage ob er Arya so gruselig anstarrt weil er das Gefühl hat sie von irgendwo zu kennen, oder weil er gedanklich schon bei seinen abendlichen Aktivitäten ist. Genug Zeit für Homophobie hat er auch, und seinen Vorgesetzten findet er auch viel zu deutlich blöd. Arya verfolgt den Mistkerl Trant in ein Bordell und beobachtet, wie er sich immer jüngere Mädchen bringen lässt. Falls den Zuschauern also noch nicht klar war, dass der Kerl ein Unsympath ist, gibt es hier also den endgültigen Beweis. Jaqen erzählt sie am Ende des Tages, dass ihr eigentliches Ziel heute keinen Hunger hatte. Ich bin mir sehr, sehr sicher dass Jaqen Bescheid weiß, entweder will er sehen wie weit Arya geht, oder es ist ihm einfach egal. So oder so, ich hoffe Arya kann Trant baldmöglichst von ihrer Liste streichen. Die Möglichkeit ist ihr ja mehr als gegeben, da Trant nach weiteren Minderjährigen verlangt hat und Arya immerhin trainiert, um ihr Gesicht zu verlieren. Dennoch leidet Aryas Geschichte unter der viel zu beschränkten Perspektive, ähnlich wie Daenerys im Verlauf der letzten Staffel zu oft zu einseitig und isoliert war. Die Anwesenheit anderer, bereits bekannter Figuren lockert das hoffentlich auf. 


Wenden wir uns nun der ersten von zwei wichtigen Szenen der Folge zu. Ramsay Bolton und seine 20 extrem fähigen Männer infiltrieren das Camp von Stannis und legen an allen wichtigen Stellen Feuer. Schätze, sie sind wirklich sehr fähig, denn niemand bemerkt etwas. Stannis gibt danach den Befehl die Wachen zuerst zu befragen und dann zu hängen. Dann schickt er Ser Davos zurück an die Wall, um die Versorgung seiner Truppen zu garantieren. Davos verabschiedet sich aber vorher von Shireen. Die ist, wie immer, mit lesen beschäftigt. "A Dance of Dragons", die Geschichte zweier Targaryen-Geschwister, die um die Herrschaft kämpfen. Shireen erklärt ihrem Vater, dass sie sich für keine der beiden Seiten entschieden hätte, da diese Entscheidung der Auslöser für das wirkliche Drama gewesen wäre. Doch als Zuschauer wissen wir es mittlerweile besser: man *muss* sich für eine Seite entscheiden. 


Wenn Stannis seine kleine Tochter besucht und ihren Rat einholt, dann zeichnet sich die Tragödie als solche schon ab. Sie bestärkt ihn darin, dass zu tun was er für richtig hält. Sie macht deutlich, dass sie helfen will, immerhin sei sie seine Tochter und eine Prinzessin. Und verdammt nochmal, die ganze Staffel wurde sie mit einbezogen und diente auch dazu, Stannis irgendwie sympathischer wirken zu lassen. Und während irgendwo vielleicht noch nachvollziehbar ist, dass Stannis sich in eine ausweglose Situation manövriert hat (keine Versorgung, kein Vor, kein Zurück), ist seine Lösung für das Problem eine Abscheulichkeit. Bisher war er nur erfolgreich, wenn er auf Melisandre gehört hat. Sich nach den Ratschlägen von Davos zu richten brachte ihm eine katastrophale Niederlage ein, in deren Verlauf er von Tyrion und dessen Taktikgefühl einfach ausmanövriert wurde. Melisandre hingegen bringt mal eben ein Schattenbaby auf die Welt, welches seinen unliebsamen Bruder aus dem Weg räumt. Oder sie wirft ein paar vollgesogene Blutegel in's Feuer, und schon fallen die Könige links und rechts wie die Fliegen. Also, bis auf Balon Greyjoy, der immernoch auf seiner Insel versauert. Jetzt also auf ihr Drängen nachzugeben scheint für Stannis sinnvoll und zielführend. 


Aber! Was wird denn das für ein König? Einer der seinen eigenen Bruder ermordet, der seine eigene Tochter verbrennen lässt, nur um auf dem Thron zu sitzen? Damit macht der dem Verrückten König, also Dany's Vater, alle Konkurrenz. Die Szene an sich ist beinahe unerträglich. David Nutter als Regisseur hat das Feingefühl, die Kamera nicht auf Shireen zu halten, wenn sie verbrennt. Doch die Schreie nach ihren Eltern, die gehen durch Mark und Bein. Und es ist das ganze Setup vorher, welches dieses Gefühl des Unausweichlichen so richtig einsinken lässt. Davos verabschiedet sich und hinterlässt den kleinen Hirsch aus Holz, den Shireen bis zum Ende bei sich trägt. Neben Ned Stark und der Beziehung zu seinen Kindern sind diese Momente zwischen Davos und Shireen die einzigen, in denen (Zieh-)Eltern einfach aufrichtig zu ihren Kindern sind. Davos wird sicher irgendwo auch wissen, was los ist, jedenfalls deutet sein Abschied darauf hin. Dass er trotzdem geht und Shireen nicht mitnimmt kann ich mir nur so erklären, dass er selbst nicht glaubt, dass Stannis zu solchen Maßnahmen fähig ist.

 

Stannis holt sich indirekt die Absolution von seiner Tochter für das, was er ihr antun wird. Und auch hier bin ich mir sicher dass er weiß, das er die einzigen beiden Menschen mit klarem Verstand von sich abstößt. Shireen sagt ihm klar und deutlich, was die ganze Sache für eine schlechte Idee ist, auch wenn sie es auf die Geschichte in ihrem Buch bezieht. Die Parallelen sind zu klar. Melisandre ist voll in ihrem Psycho-Element, die ganze Folge. Und doch hat man als Zuschauer Hoffnung, dass etwas passieren wird. Dass Melisandre erkennt, dass es nicht die Lösung sein kann, kleine Mädchen zu verbrennen (was soll das überhaupt, wie will sie an das königliche Blut kommen wenn nurnoch ein Häuflein Asche übrig ist???). Das Stannis erkennt, dass es nicht die Lösung sein kann, seine kleine Tochter zu verbrennen.


Und im Aufbau ähnelt die Szene verdächdig dem, was Sansa in Folge sechs durchmachen musste. Der quälende Aufbau, der Marsch durch die Männer, die Spalier stehen. Das Wegblenden der Kamera auf die Gesichter der Umstehenden, wenn es tatsächlich passiert. Doch während Selyse zu Beginn noch rechtfertigt, was gerade geschieht, ist es ausgerechnet sie, die Mutter die ihre eigene Tochter verabscheut, die zusammenbricht. Die schreiend und weinend von Stannis' Männern festgehalten werden muss, während ihre Tochter schreiend von den Flammen verschlungen wird. Stannis mag sich irgendeinen magisch-militärischen Vorteil gesichert haben, bei dem völlig unklar ist wie er aussehen wird. Aber er hat dafür das verbrannt, was ihn irgendwie noch menschlich erscheinen ließ. Und das schlimmste daran? Er scheint auch noch zu glauben, dass er das Richtige getan hat. Vielleicht hätte er mal darüber nachdenken sollen, dass er nun keine Nachkommen mehr hat. Dass er ein König wäre, der seine halbe Familie geopfert hat. Dadurch dass er Shireen geopfert hat, hat er einen ziemlich großen Teil von sich selbst direkt mit getötet. Und mal ehrlich, wollen wir den Typen als König? Mit dieser Frau als Königin? Konvertiert oder sterbt? Kniet nieder, oder sterbt? Rosige Aussichten.


Was Daenerys nur zu Gute kommen kann. In dieser Woche steht die feierliche Eröffnung der Fighting Pits an, und alle sind sie an Ort und Stelle versammelt. Hizdahr und Daario betreiben fleißig ganz und gar unnötige Schwanzvergleiche, und selbst einem zuschauenden Stück Brot wird klar, was Hizdahr für ein Idiot ist. Falls dem nicht so sein sollte ist ja Tyrion da, um das deutlich zu machen. Während Tyrion und Daenerys also weitere Gemeinsamkeiten entdecken und Dany's Männer sich gegenseitig verbal fertig machen, betritt Jorah die Arena. Bis dahin war es für Dany nur ein passives Zuschauen, das Beobachten der Konsequenzen ihrer eigenen, schrägen Form von Herrschaft. Doch plötzlich ist sie emotional in das Geschehen eingebunden. Ich müsste lügen wenn ich sagen würde, ich hätte nicht kurz die Luft angehalten als Jorah mit dem Speer scheinbar auf Dany zielt. Doch es stellt sich heraus, dass die maskierten Wutbürger von Meereen die Arena infiltriert haben. Zahlreiches sterben auf den Rängen beginnt, und man stellt mit Schrecken fest: verdammt, da sind ziemlich viele Figuren die ich eigentlich ziemlich gerne mag auf einmal ALLE in Gefahr. Jorah und Daario versuchen die Königin zu retten, Tyrion bewahrt Missandei vor dem sicheren Tod. Doch mitten in der Arena werden sie umzingelt. Dany und Missandei sind nicht einmal bewaffnet, Hand in Hand warten sie auf das Unausweichliche. 


Doch dann ertönt der wohlbekannte Schrei in der Ferne, und das Geschehen stoppt. Und siehe da, Drogon ex Machina! Mamis Liebling räumt ordentlich auf und veranstaltet sein ganz eigenes Festmahl. Es geht halt nichts über ein leckeres BBQ. Doch während seiner Aufräumaktion wird er verletzt. Wieder wird Spannung kreiert, als Dany ihm einen Speer aus der Seite entfernt und er sie anbrüllt. Doch Drogon ist zwar ein rebellischer Teenager, aber am Ende mag er seine Mutter eben doch. Dem rührenden Moment kommen allerdings weitere Maskenträger dazwischen, und so sieht Dany nur einen Ausweg: sie klettert auf Drogons Rücken und die beiden fliegen davon. 


In erster Linie ist das ein ziemlich mieser Move ihren Beratern gegenüber. Die bleiben jetzt in der Arena zurück, und selbst wenn sie dort rauskommen stehen sie vor einem Scherbenhaufen, in einer Stadt die im Chaos versinkt. Also, noch mehr als das eh schon der Fall ist. Vielleicht hat Dany diesen Ausweg auch gewählt, weil Drogon sicher nicht unterscheiden konnte zwischen "Leute, die Mami angreifen" und "Leute, denen Mami egal ist /die ihr helfen wollen". So ein nahezu unkontrollierbarer Drache hat eben auch Nachteile. Ihre Berater jedenfalls bleiben in einer Stadt zurück, die von Konflikten heimgesucht wird. Ordnung schaffen dürfte unmöglich sein, also bleibt nur noch die Flucht. Doch ob die gelingen wird? Dass Dany aus der doch eher lahm vor sich hin kriechenden Meereen-Storyline gerissen wird ist ein Befreiungsschlag, aber nur für sie allein. Meereen bleibt auf der Strecke, ihre Berater und Freunde ebenso. Es macht aber auch deutlich, dass Dany niemals nur auf ihre Eroberung dieser einen Stadt reduziert werden sollte. Meereen bleibt zurück, so wie Yunkai zurückbleiben musste. Doch das Geschehen bringt Dany auf die richtige Route, oder zumindest in eine Richtung die weniger einseitig ist. Je nachdem, wo sie mit Drogon landen wird. 


Sowohl die Ereignisse um Stannis als auch die um Danenerys machen deutlich, dass wir uns auf ein Ende vorbereiten sollten. Das Tommen nicht ewig auf diesem Thron herumlümmeln kann ist mehr als klar. Und während ich mich persönlich liebend gerne in "was wäre wenn" Szenarien ergehe, in denen alle möglichen Figuren am Ende auf dem Eisernen Thron Platz nehmen, so sind Daenerys und Stannis momentan doch eindeutig die Figuren, bei denen eine Herrschaft über ganz Westeros am wahrscheinlichsten ist. 

 

Was bleibt ist das Sorgenkind dieser Staffel, Dorne. Nachdem Oberyns Nachkommen keinen klaren Sinn und Zweck erfüllten außer bei unpassender Gelegenheit nackt zu sein, peinliche Kämpfe zu absolvieren und irgendwelche schwesterlichen Machtspielchen zu spielen, und Ellaria innerhalb einer Staffel von rachsüchtiger Geliebten zu vergebender Mutter mutierte, stellt sich die Frage: was soll das eigentlich? Die einzig greifbare Konsequenz ist, dass Bronn nach dem Abenteuer in Dorne einen Ellbogen ins Gesicht kassiert. Prinz Doran verfolgt entweder, wie Littlefinger, sein eigenes kleines Spielchen, oder er ist einfach der netteste Mensch in ganz Westeros. Myrcella darf nach Hause, ihr Zukünftiger wird sie begleiten und einen Platz im Small Council kriegen. Gratis Umarmungen für alle! Hätten Jaime und Bronn einfach bei Doran geklopft, gefragt ob sie die Kinder mitnehmen dürfen, die komplette Geschichte wäre auf das gleiche Ergebnis hinausgelaufen. Falls sich da also nicht noch die große Verschwörung anbahnt war das mit Abstand der sinnloseste Plot in der Geschichte der Serie. 

 

Nächste Woche steht bereits das Finale an. Vermutlich steht eine Rückkehr nach King's Landing an, hoffentlich werden die Geschichten um Stannis, Jon und Dany zufriedenstellend gelöst.  

 

Wahllose Gedanken zum Schluss:

Wie hat euch die Folge gefallen? Was erwartet ihr vom Staffelfinale?


Wie immer findet ihr das Recap, ergänzt um ein paar Gedanken zu den Büchern, auch in meinem Blog.

Diese Seite verwendet Cookies. Akzeptieren.