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Wunderlich

Kritik von Wunderlich

Gesehen: April, 2014

Regisseur Boon Jong-ho zählt in seiner Heimat Südkorea schon längst zu obersten Liga. Und auch das Ausland wurde zuletzt häufiger auf den talentierten Filmemacher aufmerksam, was besonders an seinen beiden charmanten Genrebeiträgen The Host und Mother liegt. Die Konsequenz daraus ist nun, dass der Südkoreaner mit Snowpiercer seinen ersten englischsprachigen Film herausbrachte. Natürlich war auch hier wieder Skepsis angebracht. Denn bereits öfter kam es vor, dass der erste große Film von talentierten ausländischen Regisseuren komplett glattgebügelt wurde und der künstlerischen Handschrift beraubt wurde. Man denke nur an Florian Henckel von Donnersmark oder Gavin Hood, deren Hollywood Debüt The Tourist bzw. Wolverine nur austauschbare Massenware wurde. Snowpiercer jedoch ist mit diesen Filmen nicht zu vergleichen. Denn dazu ist der Film nicht nur zu klug und zu spannend sondern lädt auch ungemein zum diskutieren ein. Damit dürfte Snowpiercer bereits jetzt einer der Geheimtipps des Jahre 2014 sein. Bekannte Grundidee im frischen Gewand Die Idee der sozialen Spaltung der Menschheit in Unter- und Oberschicht ist selbstverständlich nicht neu. Es gab bereits zahlreiche Filme die dies aufgriffen und entsprechend visualisierten. Meist durch eine räumliche Trennung mit Hilfe eines Turm, wie in The Land of the Dead, oder sogar durch eine Spaltung in Erden- und Weltraumbürger wie zuletzt in Elysium. Allerdings verliert das Motiv selten an Brisanz oder an Strahlkraft und da in Snowpiercer auch die pfiffige Idee mit dem fahrenden Zug eingebracht wurde, können genug frische Aspekte gewonnen werden. Regisseur Boon Jong-ho konstruiert die Geschichte zudem sehr geschickt und baut nicht komplett auf seine Ausgangslage. Vielmehr werden im Laufe der Handlung die einzelnen Bausteine der Vorgeschichte enthüllt, was den Film damit sehr dynamisch wirken lässt. Immer wieder gibt es in Snowpiercer verschiedene Twist und Wendungen die die Perspektive ändern und zum einen die Geschichte vortreiben aber auch die Charakter schärfen. Diese Twist sind auch nicht mit der Hammerschlagmethode eingebaut und glücklicherweise nicht sehr aufdringlich. Die Charaktere sind ebenfalls eine der großen Säulen des Films. Chris Evans als bärbeißiger Anführer Curtis beispielsweise ist ebenso gut geschrieben wie gespielt. Evans verleiht Curtis eine sehr undurchsichtige Aura, sodass man trotz seines Identifikationspotenzials niemals ganz Zugang zu ihm findet. Erst zu Schluss bildet sich die Figur komplett aus wobei auch hier noch genug Interpretationsspielraum bleibt. Dies trifft auf so ziemlich jede Figur im Film zu. Ständig wechseln hier die Interessenlagen und die Allianzen. Kaum eine Figur ist wirklich eindeutig definiert sondern sehr mehrdimensional. Auch kuriose Momente bleiben dabei nicht aus. Besonders Tilda Swinton komplett überzeichnete Ministerin Mason und deren Gefährten. Aber auch der südkoreanische Superstar Song Kang-ho liefert als drogenabhängiger Sicherheitsxperte Namgoong eine denkwürdige Performance ab. Ein Füllhorn an herausragenden Szenen Strukturell dürfte Snowpiercer zu den interessantesten Dystopien seit langem gehören. Das Setting des Zug wird glänzend genutzt, da hinter jeder neuen Tür eine weitere skurrile oder brutale Überraschung lauert. Diese Ideen sind dabei so clever und spannend, dass die Handlung niemals Längen aufweist. Hier gebührt auch Regisseur Boon Jong-ho ein besonders Lob, der durch seine geschickte Komposition und sein außergewöhnliches visuelles Auge maßgeblich die Identität des Films prägt. Auch die vieldeutige Farbauswahl und der Einsatz von Signalfarben behersrscht der Südkoreaner perfekt und kommt in Snowpiercer voll zu Geltung. Eigentlich ist jede Szene visuell außergewöhnlich und absolut beeindruckend. Dennoch steche einige besonders hervor. Beispielweise die zentrale Actionszene die geschickt mit dem Wechsel des Tempos spielt und später zu einem bahnbrechenden Feuerwerk für die Sinne wird. Es muss eben nicht immer der marvelsche Bombast sein. Letztendlich ist die Szene auch bezeichnend für den ganzen Film, da diese nicht nur absolut eindrücklich auf der visuellen und auditiven Ebene ist sondern auch brutal, charakterzentriert und skurril ist und zudem zahlreiche tolle Wendungen parat hat. Allein diese Szene ist kreativer als die meisten Filme und Snowpiercer hat davon ein ganzes Füllhorn. Kritik am Film kann nur Detailkritik sein. Zum Beispiel stört es schon ein wenig, dass nach dem tollen Auftakt, indem man die Vorgeschichte durch Fernsehsendungen aus dem Off erfährt, trotzdem auf das platt und störende Mittel des Schriftzug verfällt um die Ausgangslage zu erklären. Auch können einzelne Details an Figuren kritisiert werden. Jedoch haben viele Figuren und Einstellungen eine Symbolfunktion und funktionieren auf mehreren Ebenen. Man sollte somit seine Kritik nicht zu früh anbringen und den Film stattdessen mehrfach sehen. Denn da Snowpiercer auch wunderbar zur Diskussion über Figuren, Zeichen und Symbole einlädt ist ein mehrmaliges Anschauen eigentlich Pflicht. Für zartbesaitete ist der Film zudem überhaupt nichts. Dazu trägt nicht nur die hohe Brutalität bei, die jedoch viel bodenständiger ist als bei vergleichbaren Filmen, sondern auch die sehr dramatischen Beschreibungen. Diese sind meist furchterregender als die Kampfhandlungen und besonders Curtis Beichte zum Ende ist von erschreckender Intensität. Der erste Geheimtipp des Jahres Snowpiercer ist auf jeder Ebene eine Überraschung und letztendlich ein sehr sehenswerter Film. Strukturell dürfte er bereits jetzt zu den besten Dystopienfilmen zählen und auch mit der sehr charakterzentrierten Handlung, die voll mit tollen und unaufdringlichen Wendungen ist, kann der Film vollends überzeugen. Langweilige wird Snowpiercer zudem nie, da dieser nicht nur sehr spannend ist sondern auch mit vielen spektakulären Actionszenen punkten kann. Boon Jong-ho hat somit allen Unkenrufen zum Trotz einen beeindruckenden Film abgeliefert, der sogar als sein bislang bestes Werk gelten dürfte. Snowpiercer ist damit bereits jetzt einer der besten Filme des Jahres.

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