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Vitellone

Kritik von Vitellone

Gesehen: November, 2018

Was bleibt vom Leben noch übrig, wenn man weder Warten noch Weglaufen kann? Christian Petzold verfrachtet Anna Seghers Exilroman in eine seltsame Zwischenwelt. Das sonnige Frankreich, ein Marseille der Gegenwart, eingeholt von den Schatten der NS-Zeit. Eine Hafenstadt, so sagt der Film, eine Stadt des Kommens und Gehens also, war schon immer voll von Geschichten. Inmitten von Erzählern ist Franz Rogowski einer der zuhört und schließlich auch versteht. Sein Georg berührt zutiefst. Wenn er ein altes Schlaflied mit rauer Stimme singt, flüsternd. Wenn das Off von seinen Tränen erzählt, die nicht zu sehen sind, von seiner Einsamkeit und wie er eine Frau küsst, die er dann doch nicht küsst. Er ist auf der Flucht und kommt trotzdem nicht weg. Vielleicht flieht er auch vor sich selbst, denn wer entkommen will, der muss ohnehin ohne Ballast reisen. Man könnte Matthias Brandts mit seiner markanten Stimme als einen unzuverlässigen Erzähler bezeichnen. Vielleicht ist er das, vielleicht weiß er schlichtweg mehr als alle anderen. Auch er erzählt, solange er noch erzählen kann. Petzold überlagert Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Er nähert sich der NS-Zeit über die Flüchtlingskrise – und umgekehrt. Die Behörden werden zur kafkaesken Vorhölle, allgegenwärtiges Warten. Die Absurdität einer Welt, in der ein Menschenleben von einem Stempel im Pass oder einer flüchtig unterschriebenen Genehmigung abhängt. Auch das ist Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Wie soll man warten, wenn man nicht mehr warten kann? Selten war ein politischer Film so poetisch. Denn Transit ist auch eine Liebesgeschichte, in vielerlei Hinsicht. Die Liebe eines kleinen Jungen, der seinen Vater wiederentdeckt. Die Liebe einer Frau zu ihrem verlassenen Mann. Die Liebe eines Mannes zu einer Frau, die nicht die seine ist. Wer leidet mehr? Derjenige, der verlassen wird – oder doch der, der verlässt? Eine von vielen Fragen, die der Film stellt – und die Petzold entgegen der Erwartung beantwortet. Das Literarische schlägt seine Wurzeln ins Kino, doch es vereinnahmt es nicht. Das Filmische ragt hervor, fast schon behutsam inszeniert Petzold die zahlreichen Begegnungen des Films. Begegnungen, oftmals so flüchtig, dass sie kaum real erscheinen. Sie kommen einem vor wie verblasste Schreie aus dem Reich der Geister. In dieser Zwischenwelt, dieser Vorhölle spielt Transit – und genau dort berührt er uns auch. Georg verweilt, auch nachdem das Bild schwarz wird. Wie die ganze Stadt ist er gefangen im Klammergriff der Einsamkeit.

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