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Jonny

Kritik von Jonny

Die ersten paar Sekunden sagen einem schon, was man zu erwarten hat. Sie sagen es nicht nur, sie schreien es einem förmlich ins Ohr. Dieser epileptische, beeindruckende Vorspann, unterlegt mit nervenaufreibenden Dissonanzen. Er benebelt unsere Stimmung im Zeitraum eines Blinzelns. Man klebt geradezu an den aufmerksamkeitsheischenden Schrifteinblendungen. Während unsere Augen noch in schierer Hektik hin und her wandern, wird bereits in aller Seelenruhe die Großaufnahme einer Stadt eingeblendet. Jeder Schnitt scheint wie eine Erlösung aus all der nun ungewohnten Ruhe. Die letzte Aufnahme wandert dann schleichend langsam ins Fenster unserer Protagonistin und ihrem Lover. Wir fühlen uns wie ein Voyeur und wir sind völlig gefesselt, unfähig jetzt noch die Segel zu streichen. Dieses ständige Warten darauf, dass irgendwas passiert. Es ist immer da. Und manchmal, aber auch nur manchmal, da passiert tatsächlich etwas. Und egal wie sehr man es vorausgesehen hat, am Ende zuckt man doch zusammen. Hitchcock ist nicht umsonst als der Master of Suspense bekannt. Es ist kaum zu fassen, wie spannend dadurch der ganze Film ist. Sobald Marion mit dem gestohlenen Geld den kriminellen Weg eingeschlagen hat, scheint jede Bewegung, jeder Atemzug irgendwie gefährlich zu sein. Wir erleben selbst in den alltäglichsten Situationen, wie dem Kramen in einer Tasche, den Horror des Ausbruchs aus der Gesellschaft. Die ganze Fahrt bis zu Bates Motel ist so unfassbar intensiv, dass selbst Nerven wie Drahtseile unter Strom stehen sollten. Erst der Blickaustausch mit ihrem Vorgesetzten auf der Straße, dann der Polizist, der sie anhält. Der sie sogar weiter in Beobachtung hält, während sie ein Auto ersteht. Jede Kleinigkeit in den Aktionen erzeugt hier Schweißtropfen. Zwischendrin erhalten wir Einblick in Marions Gedanken (Übrigens mit grandioser Mimik gespielt von Janet Leigh). Und uns wird klar, was dieser scheinbar leichtfertige, kleine Schritt plötzlich für Folgen hat. Wie sehr das grundsätzliche Lebensgefühl davon beeinträchtigt wird, obwohl noch nicht einmal jemand etwas davon weiß. Wie sehr diese Regeln der Zivilisation dem Menschen ins Gedächtnis gebrannt sind. In Bates Motel scheint sich diese Stimmung nicht groß zu ändern. Aber irgendwie ist ihr neues Gegenüber anders. Norman Bates scheint ruhig und unruhig zugleich zu sein. Seine Persönlichkeit verwirrt mehr, als die schreckliche Ausgangssituation. Auf einmal liegt der Fokus auf ihm, dem vogelausstopfenden Muttersöhnchen. Das liegt natürlich ohne Frage an Anthony Perkins umwerfender Umsetzung. Sein meisterliches Schauspiel durchwebt jede Szene. Selbst in denen, wo er nicht vorkommt bleibt er präsent. Es ist ein so faszinierender Charakter, dass es uns schon fast mehr einnimmt, als abstößt. Gerade zu Beginn scheint er ja nur ein freundlicher, interessanter, leicht spezieller Mensch zu sein. Doch je mehr die Fassade bricht, desto mehr kommt er selbst zum Vorschein. Diese bricht wie ein Duschvorhang, der von einer alten Dame zur Seite gerissen wird, um eine junge Frau mit einem Messer zu erstechen. Nicht nur, dass die eigentliche Hauptfigur in der Mitte des Films stirbt, sondern auch die Tatsache, dass sich die alte Frau als Norman Bates selber herausstellt, macht den Plot so unfassbar genial. Es ist ein Verwirrspiel. Aber kein intellektuelles Gehabe, nur um der Überraschung willen. Nein, ein vor grandiosen Wendungen strotzendes Kammerspiel. Auf die jeweiligen Charaktere bezogen, die so glaubwürdig und lebensecht agieren, als würden sie mir gerade beim Schreiben über die Schulter schauen. Sie werden nicht für den Plot verwendet, sie leben die Story. Eine Geschichte, die so dominiert wird, von ihren Schockmomenten, deren Rahmen aber trotzdem ein Kunststück der Spannung bleibt. Es gibt einige denkwürdige Momente. Die Duschszene erwähnt man da natürlich als Erstes. Sie ist nicht unbedingt die Erschreckendste, dafür glänzt sie aber mit einem absolut perfekten Schnitt. Wie hier mit schnellen Cuts der Puls nach oben getrieben und gleichzeitig das direkte Draufhalten aufs Geschehen vermieden wird, ist meisterhaft. Auch bei dem Skelett, dass sich aus dem Schaukelstuhl dreht, bin ich ordentlich zusammengefahren. Aber das ist in meinen Augen nichts gegen den Moment, indem der Privatdetektiv Arbogast auf einmal von Norman Bates bzw. seiner Mutterhälfte erstochen wird. Nach all den neugierigen Nahaufnahmen, plötzlich von oben auf die Szenerie zu blicken ist ein Geniestreich. Man erlebt sofort die Enge des Flures und die eigentliche Erwartungshaltung wird irrelevant. Selbst nach der dritten Sichtung erschrecke ich mich noch bei dieser Szene. Ihr seht's schon, Hitchcocks's großartige Inszenierung hat es mir angetan. Und dazu natürlich dieser ekelhafte, quietschende Score von Bernard Herrmann. So offensichtlich und doch so wirksam. Selbst beim Einsatz dieser teilweise schrägen Töne, wird immernoch unbarmherzig mit unserer Erwartungshaltung gespielt. Es wird uns praktisch unter die Nase gerieben, wie sehr manchmal das Simple wirkt. Das ist eine Stimmung, die gibt es so einfach kein zweites Mal. Alfred Hitchcock hat sich mit "Psycho" ein Denkmal gesetzt. Er erforscht die Urängste des Menschen mit analytischer Präzision. Er entlarvt die Gesellschaft als ihren eigenen Spiegel des Grauens. "Psycho" ist die Spannung selbst, die Genialität des Plots in Person, die Mutter des Thrillers und das Werk eines Genies!

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