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Gertschi

Kritik von Gertschi

Vergnügliches Requiem auf die Zeit vor AIDS

Das kleine, tödliche Wort AIDS wird einmal, aber eben nur ein einziges Mal erwähnt. Und da ganz  leichthin gesagt, ganz nebenbei. Ein bemerkenswertes Detail, denn die Dialoge in diesem wortreichen Film winden sich fast ausschließlich um Thema Nummer eins: Sex. Tatsächlich handelt es sich bei dieser brillanten Satire über zwischenmenschliche Beziehungen der Freizeitgesellschaft um den Schwanengesang der Vor-AIDS-Zeit.

Um ein vergnügliches Requiem auf jene lustvolle Epoche, in der es bereits die Pille gab, aber sorgloser, partnerwechselnder Geschlechtsverkehr noch nicht mit der Todesstrafe bedroht war. Ein böser Grabgesang, der das Lebensgefühl auch jener, die sich als intellektuell und vielseitig orientiert verstehen, die einen prestigereichen Neigungsberuf ergriffen haben und sich jede Zerstreuung leisten können, als im Grunde nur auf das eine fixiert entlarvt. Seht, welche Menschen.

Der Kanadier Denys Arcand rechnet mit dem Betroffenheitslachen seines Publikums, das ein Stück von sich im Spiegel sieht - und sei es unter der Gürtellinie; oder der Blick ins groß aufgerissene Maul. Zwei Schauplätze, nicht mehr: Ein Fitneßcenter; während vier Frauen die kleinen Martern an den Fitneßmaschinen erdulden, erzählen sie einander von ihren Männern, Amouren, Seitensprüngen; eine kann mit Gruppensexerfahrung angeben, die andere zeigt Striemen eines strengen Liebhabers.

Schnitt. Eine Villa mit Seegrundstück, wo man gemeinsam das Wochenende verbringen will; bis die Frauen nach Beendigung ihrer Torturen zum Weekend anreisen, vertreiben sich deren männliche Partner - ach ja, einen Homo-Single gibt's auch - die Zeit mit Kochen. Etwas direkter und deftiger kreist ihr Dialog um dasselbe Thema. Und dann treffen beide Gruppen aufeinander, ihr verbales Striptease zuvor macht den folgenden Smalltalk vollends verräterisch.

Selten hat es einen Film gegeben, in dem so viel, so gescheit und so ausschließlich geredet wird. Wo es dem Regisseur gelingt, sozusagen zwischen den Worten der anderen seinen eigenen moralischen Standpunkt klarzumachen; auf die faulige Dekadenz hinzuweisen, die er im genußsüchtigen Heuchelverhalten seiner wohlbestallten Bildungsbürger zu orten vermeint.

Wäre er nicht so geistreich, so witzig, so funkelnd selbstironisch, fast käme einem der Verdacht, daß sich hinter seiner lächelnden Sozialkritik ein komplexbeladener Menschenfeind versteckt, ein Wortvoyeur und Untergangsfetischist. "Worte sind billig, Baby", sagt jemand, versöhnlich, zum Schluß. Aber über das hinaus, was wir zwischen den Beinen haben, geht nur der Kopf. Und der hat nicht viel besseres als Worte.

Fazit: Ein ganz erstaunlicher Film, ein beglückender in der Erkenntnis, dass es auch solche Filme gibt ... Für Erwachsene ... Für Denkende ... Für Gescheite mit Humor. Alle Darsteller sind so hervorragend wie jede Ingredienz des Films. Selbst die deutsche Synchronisation ist - o Wunder! - gelungen.


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