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Gertschi

Kritik von Gertschi

Versager trifft Schlampe

Unblutiges Massakrieren, sexloses Schänden. Es geht um Mord in diesem zuckerlbunten Thriller über die niemals geahndeten Verbrechen der braven Kleinbürger in den adretten Vorstädten. Es geht um Vergewaltigung, Diebstahl, Erpressung. Und darüber, wie man über Entsetzen scherzt und in aller Gemütlichkeit foltert.

"Eine Familie ist wie eine Waffe", weiß der potentielle Amokläufer Matthew, mitte zwanzig, der stets eine scharfe Handgranate mit sich herumträgt und von seinem psychopatischen Vater tyrannisiert wird. "Richtet man sie in eine falsche Richtung, kann es gefährlich werden." Und er wird bald sehr gefährlich, auch wenn alles in der Familie bleibt.

Die eigenen Eltern sind es nämlich, die das Lebensglück ihrer Kinder ermorden. Die sie zu ungeliebten Berufen und prestigereichen Schulen vergewaltigen. Die ihnen das Selbstbewußtsein stehlen und die Fähigkeit zu echten Gefühlen. Die durch Liebesentzug und Prügelstrafandrohung zu Wohlverhalten und Anpassung erpressen. Dagegen begehren die Antihelden dieses Films mit der Signalwirkung von Verkehrsschildern auf. Was sich im Eltern-Jargon nach "Versager trifft Schlampe" anhört, wird in Wahrheit bald zum Hauptgewinn zweier Verlierertypen.

Die frustzugeknöpfte Mutter macht Maria, 17, das Leben zur Hölle, seit Vater ein Herzinfarkt hinwegraffte - aus Empörung über Töchterleins Schwangerschaft. Da haut die Kleine ab. Und läuft Matthew in die Arme, der gerade aus Abscheu seinen Computer-Job schmiß. Sie entdeckt seine Bücher und er ihr Vertrauen. Matthew schminkt ihr die innere Oberflächlichkeitund äußerlich grelle Bemalung ab. Maria treibt ihm Fluchtgedanken und Wehleidigkeiten aus. Beide gemeinsam dem Zuschauer etwaigen ernst, wenn angesichts der geballten Familiendramen ganz beiläufig auch noch intelligent geblödelt wird.

Hal Hartley gilt bei US-Kritikern seit seinem Erstling "Verdacht auf Liebe" als "Cassavetes der Neunziger", welcher einen Jim Jarmusch "zum billigen Pointenjäger" degradiert. Gegen seine kaputte Familienleben wirken David Lynchs gestylte Bürgerschreckenskabinette wie Tante Trullas schicke Kindermärchen. Seine lebenden Zeitbomben und zwischenmenschlichen Beziehungen nehmen spießige Selbstgerechtigkeit ebenso ins Visier wie das Fernsehen und verbissene Humorlosigkeit. Sein lapidarer, eindringlicher Stil ist zwar gewöhnungsbedürftig; aber kostproben lohnt.

Fazit: Sehr außergewöhnliche Liebesgeschichte in unserer Technowelt, in der das Wirtschaftsdiktat die Kreativität knebelt und die Sensibilität des einzelnen verschüttet. Auf den Punkt gebracht: Der Existenzkampf zerbröselt die Lebenslust.

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