MB-Kritik

The Real Estate 2018

Drama

Inhalt

Nach einem Leben im Luxus, finanziert durch den Vater, erbt die 68-jährige Nojet eines seiner Mietshäuser in der Innenstadt von Stockholm. Die Lebedame kehrt aus dem sonnigen Süden in die Heimat zurück. Doch statt geregelter Zustände findet sie totales Chaos vor. Ihr Halbbruder und dessen dem Alkohol und anderen Exzessen nicht abgeneigter Sohn haben ihre Hausmeisterfunktion tüchtig vernachlässigt. Das Gebäude befindet sich in einem desolaten Zustand, voller Mieter ohne legale Verträge.

Kritik

Die Preise gehen „up, up, up“, heißt es im Prolog von Axel Petersens (Avalon) und Mans Manssons (Hassel) Berlinale Wettbewerbsbeitrag. Der Markt explodiere, die Gewinnkurve steigt immer steiler, einfach „crazy“. Wer eine Inhaltsangabe oder noch besser, das komplette Pressematerial zu dem kruden Machwerk gelesen hat, kann erahnen, worüber die Protagonistin (Leonore Ekstrand, Avalon) mit ihrem Friseur spricht. Wer den Film ohne Vorabinformationen auf sich wirken lassen möchte, hat Pech gehabt: Der Ton ist so mies, dass der Föhn die Dialoge übertönt. Untertitel? Klar, die gibt es bei jedem Festival-Beitrag. Aber die Kamera ist derart fahrig, unscharf und wackelig, dass es angestrengtes Hinstarren und viel Spekulation braucht, bis klar wird: Die sind hier in einem Friseurladen und sie lässt sich frisieren.

Nach dem Prolog könnten eigentlich alle nach Hause gehen oder zum nächsten Film hetzen. Einige tun bereits an dieser Stelle, nach den ersten von nur 88 Minuten genau das und falls zufällig einer von ihnen das liest: Nein, ihr habt nichts verpasst, ihr seid beneidenswert. Der Prolog komprimiert alles, was es über das ohne jeden erkennbaren filmischen und dramaturgischen Anspruch erstellte Stück zu erfahren gibt. Es geht um Immobilie. Die Seniorin Nojet hat eine von ihrem Vater geerbt, der Markt ist aggressiv, die Preise sind Wucher. Doch all das spielt keine Rolle, denn dem Regie-Duo liegt nicht daran, eine Geschichte zu erzählen. Sie erstellen auch kein Gesellschaftsbild oder Charakterbilder, überhaupt scheinen beide akzeptable Aufnahmequalität nicht zu mögen.

Kein Verlust, denn die erkennbaren Szenarien sind auf maximalen Ekelfaktor und maximale Banalität getrimmt. Nojet inspiziert ihre Immobilie, trainiert im Fitnessstudio, föhnt sich wieder die Haare, hört in der Kneipe Musik und im Asia-Restaurant unterhalten sich Leute über gekochte Eier. Ein Typ, der laut Presseheft Nojets alter Freund Lex (Christer Levin) ist, lässt Leute in einer Turnhalle zu Pop-Tönen sackhüpfen. Eine Sitzreihe weiter flüstert eine Besucherin ihrer Begleitung zu: „Ich halte das nicht mehr aus.“ Diesen Gedanken haben anscheinend viele. Ständig gehen die Saaltüren und so manche der Durchhalter schummeln, indem sie die Augen verdecken oder dauerhaft zum Dösen schließen. Zweites ist die zweitbeste Entscheidung. Die Beste ist gar nicht erst dazu ins Kino zu kommen.

Fazit

Was sucht ein Werk, das frei von kinematischem oder erzählerischem Wert ist und dem es nicht einmal gelingt, erträgliche Kameraaufnahmen zu liefern, auf einem A-Festival, noch dazu im Wettbewerb? Geld vermutlich, denn bestimmt geht dank der Exposition und des damit verbundenen Prestiges der Marktwert der Produktion und ihrer Macher up, up, up. Eine Satire auf den Immobilienmarkt oder vormalige Wohlstandskinder, wie die Synopsis suggeriert, kommt nie zustande. Statt Figuren, relevanten Dialogen oder einem Plot gibt es eine Überdosis Hässlichkeit - auf filmischer Ebene tödlich.

Autor: Lida Bach
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