7.8

MB-Kritik

Last Flag Flying 2017

Comedy, Drama, War

7.8

Bryan Cranston
Laurence Fishburne
Steve Carell
Yul Vazquez
Cicely Tyson
Tony Amen
John W. Iwanonkiw
William Kania
James Lloyd
Tiffany Sander McKenzie
Phil Nardozzi

Inhalt

Ein US-Vietnamveteran sucht zwei seiner ehemaligen Marinekameraden auf und bittet sie, ihm beim Transport der Leiche seines Sohnes zu helfen, der als Soldat im Irak fiel. Er soll ehrenvoll auf dem Nationalfriedhof Arlington begraben werden. Als sie die Wahrheit über seinen Tod erfahren, kommen sie sich über die schmerzlichen Erinnerungen ihrer eigenen problematischen Vergangenheit wieder näher.

Kritik

Es mag keine sonderlich tiefschürfende Erkenntnis sein, wenn Larry (Steve Carell, Foxcatcher), Sal (Bryan Cranston, Breaking Bad) und Richard (Laurence Fishburne, Apocalypse Now) im Zuge ihrer Road-(Movie)-Odyssee feststellen, dass jede Generation ihren eigenen Krieg zu führen hat. Dennoch ist sie fundamental, um sich für das nationale Bewusstsein der Vereinigten Staaten zu sensibilisieren. Die drei Männer sind ehemalige Vietnamkameraden und haben sich seit Jahrzehnten nicht mehr gesehen. Nun, wo Larrys Sohn im Gefecht in Bagdad gefallen ist, scheint das Wiedersehen unumgänglich gewesen zu sein: Nicht nur, weil jede Generation ihren eigenen Krieg besitzt, sondern auch, weil der Krieg die Generationen verbindet. Larry möchte mit seinen ehemaligen Ledernacken-Kumpanen zur Begräbniszeremonie nach Arlington reisen, um seinem Jungen auf dem Militärfriedhof die letzte Ehre zu erweisen.

Mag die Ausgangslage von Last Flag Flying auch einen kaum zu verleugnenden Patriotismusmief absondern, der gerade in Deutschland auf Unverständnis und Ablehnung stößt, so erweist sich die Regiearbeit von Richard Linklater (Before Sunrise) vor allem als ein Werk der Ambivalenzen, des Zwiespalts, des inneren Konflikts. Nachdem Larry von einem jungen Soldaten und Augenzeugen (J. Quinton Johnson, Everbody Wants Some!!) nämlich erfährt, dass sein Sohn keinesfalls einem Heldentod zum Opfer gefallen ist, sondern hinterrücks erschossen wurde, als er für seine Kameraden Cola besorgen wollte, bekräftigt ihn das in seinem Unbehagen umso mehr, der Regierung im Post-9/11-Zeitalter des Jahres 2003 weiteres Vertrauen entgegenzubringen. Er entscheidet sich kurzerhand dazu, seinen Sohn nicht in Arlington, sondern in seiner Heimatstadt beizusetzen. Genau dort, wo Larry bereits seine Frau zu Grabe getragen hat.

Obgleich sich Last Flag Flying in jeder Minute über den Ernst seiner Thematik im Klaren ist, gelingt es Richard Linklater und Darryl Ponicsan, der gleichwohl die Vorlage geschrieben hat, die sich als (inoffizielles) Sequel auf den 1971 erschienenen Das letzte Kommando mit Jack Nicholson offenbart, den Film mit einer feinen Tragikkomik auszustaffieren, für die gerade Steve Carell und Bryan Cranston prädestiniert sind. Immer wieder finden die beiden Schauspieler im Netz aus Trauer und Enttäuschung Momente, die einen sanften Humor freilegen, der sich nur dann ergeben kann, wenn der zwischenmenschliche Gefühlsknoten stramm genug gezogen ist. Wenn er sicher und reißfest arrangiert wurde. Gerade Sal, der als wenig sittlicher Säufer vorgestellt wird und seinen Kopf gerne in den „alten Zeiten“ verliert, entfesselt mit seinem Talent, unangebrachte Äußerungen zu tätigen, nicht nur Witz, sondern auch seelische Verletzungen.

Last Flag Flying lebt ohnehin durchgängig von seiner ausbalancierten Charakterdynamik und gibt all seinen Akteuren die Chance, sich zu verstellen (ausgenommen von Larry, der in seinem Schmerz keinen Sinn für Versteckspiele erkennt), bis die Maskerade irgendwann ihr Ende finden wird. Richard, der früher den Ruf eines Draufgängers mit sich brachte, hat indes zu Gott gefunden. Die stetigen Anstrengungen, den lebensweltlichen Anforderungen eines Predigers gerecht zu werden, brechen auch aus ihm immer wieder hervor, was dem autoritären Spiel seitens Laurence Fishburne einen angenehmen, bisweilen herrlich uneitlen Charme einverleibt. Richard Linklater erzählt hier letztlich auch keine Geschichte über Kameradschaft, sondern über Freundschaft. Um diesen Aspekt zu erkennen, ist es jedoch von Belang, die bereits erwähnten Ambivalenzen der Erzählung anzunehmen, steigern diese sich doch zusehends.

Wenn es am Ende schließlich zur Beerdigung kommt, die den zweistündigen Film überhaupt erst in Gang gesetzt hat, dann scheint es oberflächlich danach auszusehen, dass Last Flag Flying militärischen Ritualen doch eine gewisse Faszination und Unabdingbarkeit beimisst. In Wahrheit aber ist genau dieser Punkt ungemein entscheidend, um Linklaters Hingabe zu seinen Charakteren zu begreifen: Denn, auch wenn ihre Herzen aufgehört haben zu schlagen, so wird ihren Wünschen immer noch Gehör geschenkt. Last Flag Flying gibt sich schlussendlich nicht etwa patriotischen Auswüchsen hin, er nimmt sich dem letzten Willen eines 21-Jährigen an, dem meuchlings in den Hinterkopf geschossen wurde. Und das wissen alle Beteiligten, die als Marines gedient und anschließend in aller Regelmäßigkeit von Amerika verraten wurden. Ihre Güte aber haben sie deswegen noch lange nicht eingebüßt.

Fazit

Sicherlich mag "Last Flag Flying" nicht perfekt sein, dafür ist er mit seinen 120 Minuten bisweilen einfach etwas zu langwierig geraten. Allerdings gelingt es der Regiearbeit von Richard Linklater interessante Ambivalenzen in der Wahrnehmung von Patriotismus zu forcieren, um daraus eine unbändige Hingabe für die Bedürfnisse der Charaktere zu formulieren. "Last Flag Flying" ist letztlich nicht militaristisch geprägt, sondern von reiner Herzensgüte signiert. Dafür sorgt auch das tolle Trio um Steve Carell, Bryan Cranston und Laurence Fishburne.

Autor: Pascal Reis
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