4.0

MB-Kritik

I Love You, Daddy 2017

Comedy, Drama

4.0

Louis C.K.
Chloë Grace Moretz
Rose Byrne
Charlie Day
Edie Falco
Pamela Adlon
Ebonée Noel
Helen Hunt
John Malkovich
Albert Brooks
Sincée J. Daniels
Robert Kelly
Lea Cohen
Billy K. Peterson
Lucca De Oliveira
Dan Puck

Inhalt

Der erfolgreiche TV-Autor und Serien-Produzent Glen Topher versucht seine 17-jährige Tochter China davon abzuhalten, sich auf einen lüsternen 68-jährigen Filmemacher zu stürzen, der gleichzeitig Glens großes Idol darstellt. 

Kritik

Komplett unter dem Radar hat Louis C.K. (Louis C.K.: Hilarious) seinen dritten Film als Regisseur gedreht. Von der Produktion zu I Love You, Daddy, dessen Cast unter anderem größere Namen wie John Malkovich (Adaption), Chloë Grace Moretz (Carrie) und Rose Byrne (Insidious) sowie C.K.-Stamm-Kollaborateure wie Pamela Adlon (Better Things) und Edie Falco (The Sopranos) enthält, soll angeblich nicht einmal der Agent des amerikanischen Multitalents gewusst haben. Während sich die Dreharbeiten unter vollster Geheimhaltung ereigneten, gab es zu dem Film erst genauere Details, als ein erster Trailer mit kurzen Informationen veröffentlicht wurde und I Love You, Daddy im September 2017 als Weltpremiere auf dem Toronto International Film Festival uraufgeführt wurde.

Diese Strategie der Klammheimlichkeit, die den Streifen womöglich in einem kleineren Licht halten sollte, gehört mittlerweile der Vergangenheit an. Durch die #metoo-Bewegung wurde in diesem Jahr eine neue Sexismus-Debatte ausgelöst, um die aufgrund der medialen Berichterstattung sowie fast täglichen Flut an neuen Enthüllungen praktisch niemand herumkam. Durch die zahlreichen Stimmen von Opfern, die mitunter nach Jahrzehnten die Kraft fanden, mit ihren persönlichen Erlebnissen an die Öffentlichkeit zu treten, wehte ein längst überfälliger Wind durch eine Industrie, in der unter anderem diverse Hollywood-Akteure wie Filmproduzent Harvey Weinstein (Playing for Keeps) oder Schauspieler Kevin Spacey (Das Leben des David Gale) für ihr zu verurteilendes Verhalten zur Verantwortung gezogen wurden und einem sofortigen Karriereende entgegenblickten. 

Auch C.K., über den bereits seit vielen Jahren finstere Gerüchte in der Öffentlichkeit kursierten, wurde explizit der sexuellen Belästigung beschuldigt, nachdem ihm mehrere Frauen vorwarfen, dass er vor ihnen masturbiert habe und sie zwang, ihm dabei zuzusehen. Recht schnell war es C.K. selbst, der ein Statement veröffentlichte, in dem er die Aussagen als wahr bestätigte und einräumte, für jeden der geschilderten Vorfälle verantwortlich gewesen zu sein. Im Zuge dieser schwerwiegenden Entwicklungen, welche auch wieder einmal die altbekannte Diskussion darüber entfachten, inwiefern sich ein Kunstwerk von der Privatperson hinter dem Kunstschaffenden trennen lässt, ist es nun schier unmöglich, C.K.s dritten Film als Regisseur, Drehbuchautor, Hauptdarsteller, Cutter und Produzent unabhängig von den Ereignissen zu betrachten, die das Werk längst überschattet haben.

Nachdem The Orchard die Vertriebsrechte für 5 Millionen Dollar erworben hatte und die Kinoveröffentlichung nach der Berichterstattung über C.K.s Taten umgehend auf Eis legte, dürfte I Love You, Daddy vermutlich für lange Zeit ein Artefakt darstellen, das sich im Zusammenhang mit den realen Geschehnissen fast schon als bizarres Komplementärstück entpuppt. Der in Schwarz-Weiß sowie auf 35-mm-Film gedrehte Streifen weist zunächst eine frappierende Ähnlichkeit zu den früheren Werken von Woody Allen (Match Point) auf, wobei sich C.K. deutlich an Manhattan aus dem Schaffen der New Yorker Regie-Legende orientiert haben dürfte.

In dem Film spielt der Regisseur selbst die sicherlich autobiographisch gefärbte Hauptrolle des TV-Autoren und Serien-Produzenten Glen Topher. Dieser scheint ein beschauliches Leben mitsamt finanzieller Sorglosigkeit und materiellem Wohlstand inmitten der Innenstadt New Yorks zu führen. Die größte Sorge in Glens Leben, die schon bald eine Kettenreaktion unbequemer Ereignisse in Gang setzt, ist seine 17-jährige Tochter China aus geschiedener Ehe, die aktuell mit ihm in seinem Apartment wohnt. Das Mädchen, das kurz vor der Volljährigkeit steht, lebt ohne Hintergedanken über ihre Zukunft von einem Tag in den anderen, geht auf Kosten des Vaters shoppen, feiert ausgelassen beim Spring Break in Florida und läuft am liebsten möglichst leicht bekleidet durch die Gegend, um lüsterne Blicke förmlich anzuziehen. 

Mit einem Erzählstil, der eher an lose Handlungsstränge einer überlangen Serienepisode erinnert, widmet sich C.K. regelmäßigen Abzweigungen in der Geschichte des Films. Während Glen für die bald anstehende Produktion einer seiner neuen Serien kurzfristig eine gefragte, hochschwangere Schauspielerin besetzen will, mit der er wenig später ein Verhältnis eingeht, lernt er auf einer ihrer Partys eines seiner großen Idole kennen. Der 68-jährige Leslie Goodwin, dessen unheimliche und zugleich interessante Ausstrahlung wohl kein passenderer Schauspieler als Malkovich verkörpern könnte, ist jedoch nicht nur ein brillanter Regisseur, sondern auch eine kontroverse Persönlichkeit, der nachgesagt wird, dass sie sich am liebsten mit besonders jungen Mädchen einlässt.

Eine Szene, in der Glen die Vorwürfe gegen sein Idol damit kommentiert, dass man sich nicht alleine auf gestreute Gerüchte verlassen sollte und den Künstler bis zum Gegenbeweis seiner Unschuld nicht vorschnell verdammen dürfe, wirkt im Nachhinein bereits wie ein Meta-Kommentar zu jener Debatte, die noch vor der Veröffentlichung des Films zum vorläufigen Untergang des Verantwortlichen hinter I Love You, Daddy führen sollte. Schließlich lässt sich Glens Tochter auf ein alarmierendes Verhältnis mit Leslie ein und verabredet sich immer wieder mit dem Regisseur, den sie beispielsweise auch auf eine Kurzreise nach Paris begleitet.

Mit der provokativen Thematik scheint C.K. wiederum direkten Bezug auf die Vorwürfe gegen eines seiner persönlichen Vorbilder zu nehmen, indem er Leslie als fiktionale Variante von Woody Allen inszeniert, dem ebenfalls nachgesagt wird, er habe seine damalige Adoptivtochter sexuell misshandelt. Nachdem C.K. in der Vergangenheit vor allem als bösartiger und grandios witziger Stand-up-Komiker glänzte und neben der mehrere Staffeln umfassenden Sitcom Louie zuletzt durch seinen meisterhaften Hybrid aus TV-Serie und Theaterstück Horace and Pete begeistern konnte, fehlt I Love You, Daddy die markante Handschrift des Comedy-Auteurs über weite Strecken.

Während dessen gewohnt scharfzüngiger, bitterböser Tonfall nur noch in manchen Dialogen zum Vorschein kommt, verlässt sich C.K. überwiegend auf Nebendarsteller wie Charlie Day (Pacific Rim), die in eindimensionaler Manier für die immer gleiche Art von Gag herhalten müssen. Gerade der präzise, schmerzhafte Blick auf vielschichtige Facetten des Menschseins, der beispielsweise Horace and Pete zu solch einer niederschmetternden wie bereichernden Seherfahrung formte, weicht in I Love You, Daddy klischeehaft gezeichneten, flach umrissenen Figuren. Stellenweise ist nicht klar zu erkennen, ob der Regisseur eine amüsante Showbusiness-Satire oder ein ernstzunehmendes Drama im Sinn hatte, wenn sich haarsträubend stereotyp angelegte Frauenfiguren mit C.K. als Hauptfigur abwechseln, der offenbar eine schonungslose, ehrliche Auseinandersetzung mit sich selbst und seiner Rolle als prominente Vaterfigur sowie anstößiger Künstler beabsichtigte.

Spätestens die Enthüllungen über C.K.s Verhalten gegenüber mehreren Frauen fügen dem Film zusätzlich eine weitere Ebene hinzu, die den Regisseur als ebenso reumütigen wie risikofreudigen, überheblichen Menschen enttarnt. I Love You, Daddy lässt sich in gewisser Weise als Schutzreflex auffassen, bei dem ein von offensivem Selbsthass geprägter Künstler mehrere Andeutungen über private Fehltritte einstreut. In der Rolle der Hauptfigur gibt sich C.K. als überforderter, sorgender und zugleich ignoranter Vater, gehetzter, von möglichem Erfolg angetriebener Autor und zugleich belehrender Narzisst, der die Meinungen anderer Menschen um sich herum stets durch eigene Ansichten zurechtrücken und in ein eigenes Wertesystem einpassen muss. 

Ebenso wie bei dem Handlungsstrang mit Glens Tochter und dem Filmregisseur, hinter dem sich eventuell ein pädophiles Monster verbirgt, findet C.K. für sein eigenes fragwürdiges Verhalten auf filmischer Ebene nichts als simpel gestrickten Optimismus sowie zwiespältige Moralvorstellungen, mit denen der Regisseur, der nun womöglich auf ewig in der Versenkung verschwindet, einen Hilfeschrei inszeniert hat, den er sich am Ende auf feige Art einfach selbst beantwortet.

Fazit

Es ist beinahe unmöglich, „I Love You, Daddy“ unabhängig von den Entwicklungen und Ereignissen zu betrachten, die Louis C.K. s dritten Film als Regisseur begleiten. Das öde inszenierte, ungelenk zwischen Satire und Drama erzählte Werk lässt die gewohnte Scharfsinnigkeit sowie den bösartigen, schonungslosen Witz des Komikers, Schauspielers, Drehbuchautors und Produzenten über weite Strecken zugunsten von platten Provokationen und müden Gags vermissen. Darüber hinaus entpuppt sich der glänzend besetzte, aber von flachen Figuren bevölkerte Streifen mit Berücksichtigung der berechtigten, von ihm selbst bestätigten Vorwürfe gegen C.K. sowie einiger überdeutlicher Parallelen zu dessen realem Leben als bizarre Meta-Aufarbeitung, die brisante Themen und anstößige Facetten zugunsten von fragwürdiger Moral und falschem Optimismus fallen lässt.

Autor: Patrick Reinbott
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