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Quelle: themoviedb.org

Inhalt

Ein Familienvater hat panische Angst vor radioaktiven Strahlen und Atom-Angriffen. Als er deshalb mit seiner Familie nach Brasilien auswandern möchte, will diese ihn vom Gericht als unzurechnungsfähig erklären lassen.

Kritik

Wer wegguckt, entscheidet sich für die Angst. Diese Lehre wurde dem japanischen Meisterregisseur Akira Kurosawa (Zwischen Himmel und Hölle) schon in der Kindheit deutlich gemacht, als sein Bruder ihn durch die zerstörte Stadt nach dem Edo-Erdbeben führte. Leichen lagen überall herum, trieben im stehenden Wasser. Viele Koreaner waren dabei, sie wurden wegen Plünderungen für vogelfrei erklärt. Aber der junge Kurosawa durfte nicht weggucken - sonst würde er noch Angst bekommen. Der Regisseur war Zeit seiner Karriere einer, der eigene Erfahrungen und Empfindungen in seine Werke einfließen ließ. Der Zweite Weltkrieg in Verbindung mit den Atombomben-Abwürfen waren von früh bis spät integraler Bestandteil seiner Filme. Mit Bilanz eines Lebens hat er einen ersten Film direkt und komplett diesem Thema gewidmet.

Dabei findet der Japaner einen äußerst intensiven Ansatz, um die atomaren Gefahren zu Zeiten des Kalten Krieges einzufangen. Um die größtmögliche Wirkung zu erreichen, konzentriert er sich auf den kleinstmöglichen Punkt der Tragik. Ein Vater und seine Familie. Kurosawa greift keine internationalen Verbindungen und erst recht keine politischen Elemente auf; Furcht vor Wasserstoff- und Atombomben hat (vor allem in Japan) nichts mit politischer Gesinnung zu tun - sondern schlicht mit dem Menschsein. Jeden anderen Gedanken verbittet der Regisseur sich. Es ist kein Thema der Meinung, sondern eines der Vernunft. Vernunft, die dem Vater von seiner eigenen Familie abgesprochen wird. Ein Gericht soll ihn für unmündig erklären, weil er wegen seiner Furcht nach Brasilien auswandern möchte. Seine Familie will nicht mit.

Mit unheilverkündender Musik startet Kurosawa seinen Film. Menschenmassen, die durch die Straßen Tokyos fließen. Es scheint ein Sommer schwüler Hitze zu sein. Alle schwitzen, alle fächern sich Luft ins Gesicht, alle haben nasse Sakkos, Stirnen, Kleider. Die Hitze war für Kurosawa schon immer ein Instrument, um Figuren aufzubauen, die sich im Endstadium ihrer körperlichen Kraft befinden. Noch funktionieren sie, gleich kratzen sie am Ende ihrer seelischen Gesundheit und bald trocknen sie von innen aus. Der Familienvater (blendend dargestellt von Toshiro Mifune, Rashomon) ist diese Figur. Er soll von Dritten entrechtet werden, um nicht so eine Panik zu verbreiten. Und dennoch gelingt ihm genau das. Kurosawa inszeniert visuell klug die Kreise, die die Sorgen des Mannes in der Gesellschaft ziehen. Nach und nach infiziert er mehr und mehr Menschen.

Das Oberhaupt der Familie ist dieser Mann, der wackeligen Schrittes immer weiter gen Höllenfeuer stolpert. Mit blond (grau) gefärbten Haaren, Colaglas-Brille und stets verzogenen Mundwinkeln. Ein Mann, der bei jedem vorbeifliegenden Flugzeug die Schultern in den Nacken zieht, der bei Blitzen panisch davonhechtet und das Donnerrollen für einschlagende Bomben hält. All dies kulminiert in einer Szene, die mehrere der qualitativen Merkmale eines Kurosawa-Films vereint. So findet der Regisseur zu seiner ganzen Stärke mal wieder in durchgehenden langen Einstellungen, die seinen Darstellern Luft und Raum bieten. Vor allem jene, in der das Gewitter beginnt und Mifune immer unruhiger wird, bis seine Synapsen schließlich zerschießen und er panisch wird. Zusätzlich lässt sich auch hier der Kontrast aus chaotischem Lärm und bedrückter Stille finden. Angst findet im Kopf statt. Aber wen beruhigt das schon, wenn es eine so intensive Angst ist, dass Familien zerreißen, Menschen gelähmt werden und die Vernunft über Bord geworfen wird?

Fazit

Mit „Bilanz eines Lebens“ (englischer Titel „I live in Fear“) hat Akira Kurosawa sich zum ersten Mal direkt mit der atomaren Bedrohung und der daraus resultierenden Angst in der japanischen Bevölkerung befasst. Bewaffnet mit einem hervorragenden Toshiro Mifune bleibt Kurosawa dabei ganz bei einer einzigen Familie und zeigt, wie diese entzweit wird, wie Menschen um jedes bisschen Kraft kämpfen, wie Angst zum Wahn und Wahn zur Verzweiflung führen.

Kritik: Levin Günther

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