5.6

MB-Kritik

Hostel 2005

Horror – USA

5.6

Jay Hernandez
Derek Richardson
Eythor Gudjonsson
Barbara Nedeljakova
Jan Vlasák
Jana Kaderabkova
Jennifer Lim
Keiko Seiko
Ľubomír Bukový
Jana Havlickova
Rick Hoffman
Petr Janis
Takashi Miike
Milda Jedi Havlas
Martin Kubačák
Miroslav Táborský

Inhalt

Die drei Freunde Paxton, Josh und Olli, die auf ihrer Rucksacktour durch Europa nur an Drogen, Sex und Party interessiert sind, bekommen von einem Unbekannten den Tipp, sich zu einer Herberge in der tiefsten Slowakei zu begeben, wo hübsche Frauen nur darauf warten würden, es mit ausländischen Männern zu tun. Ohne zu zögern, begeben sich die Jungs auf den Weg dorthin. Kaum angekommen, lernen sie auch schon ein paar Frauen kennen, mit denen sie zunächst Party machen und danach in die Kiste springen. Es scheint das Paradies auf Erden zu sein - bis Olli urplötzlich verschwindet...

Kritik

Was wurde Hostel doch schon bereits vor dem regulären Kinostart mit reißerischen Phrasen umworben: Vom brutalsten Film aller Zeiten war da die Rede; davon, dass selbst die stärksten Mägen den naturalistischen Bildern von „Hostel“ nicht mehr standhalten können. Aber genau diese überbordende Mythenbildung ist schon seit Jahren Gang und Gäbe innerhalb des Horror-Genres, was wären die Gespräche auf dem Schulhof denn schon wert gewesen, wenn sie ohne Blutgericht in Texas, Gesichter des Todes,  Tanz der Teufel oder – um nicht allzu weit in die Vergangenheit zu reisen – das Saw-Franchise auskommen hätten müssen? Wie diese Filme dort durch fantasievolles Hörensagen aufgebauscht wurden, lässt sich letztlich auch als äußerst effizientes Marketing verstehen – Bis man den Film letzten Endes vor die Augen bekommen hat. Natürlich ist Hostel nicht der härteste Film, der je auf die Menschheit losgelassen wurden, Eli Roth aber hat es bewerkstelltigt, den sogenannten „Torture Porn“ auf eine Ebene zu hieven, auf der nicht nur die reine Körperzerstörung voyeuristisch ausgestellt wird.

Hostel codiert all die blutrünstige Exploitation mit tiefergehenden Gedanken, die den Film folgerichtig über den Status stupider Kolportage hinausbewegen. Im Zentrum der Geschichte stehen drei Rucksacktouristen, die durch Europa streifen und eindeutige Ziele befolgen: Unverkrampfter Sex, übermäßiger Konsum von Drogen und die Verselbstständigung allgemeiner Lasterhaftigkeit. Während Paxton (Jay Hernandez) und Oli (Eyþór Guðjónsson) ihrer unersättlichen Libido freien Lauf gewähren, scheint Josh (Derek Richardson) noch nicht so ganz über die Trennung mit seiner Freundin hinweg zu sein. Als den Männern in Amsterdam allerdings zu Ohren kommt, dass es in einer Herberge nahe Bratislava ein wahres Bumsparadies für Ausländer wartet, geht das bunte Treiben erst recht in die Vollen. Eli Roth nimmt sich den zeitlichen Raum und lässt „Hostel“ erst einmal durch eine ausgiebige Exposition stolzieren, in der das Konsum- und Balzverhalten der Reisenden dokumentiert wird. Hier stellt Hostel ganz dezidiert die Frage, wie wir zu diesen Protagonisten stehen? Sind sie sympathisch oder doch abstoßend in ihrem unbeschwerten Hedonismus?

Egal, auf welche Seite man sich positionieren mag: Wenn Hostel deutlich macht, dass die Männer einem Menschenhändlernetz in die Fänge geraten, sind die Leiden der Hauptfiguren gleichwohl auch der Schmerz des Zuschauers. Eli Roth beweist nach dem ebenfalls überaus gelungenen Cabin Fever erneut seine unbändige Genre-Liebe, zitiert nicht nur das schnodderige 1970er Jahre Kino, auch der anarchische Asia-Horror ist ihm ans Herz gewachsen und manifestiert sich nicht zuletzt in einem Cameoauftritt vom japanischen Filmemacher Takashi Miike (Ichi the Killer). Noch mehr als in Cabin Fever demonstriert Eli Roth sein Verständnis für dringliche Spannungsanordnungen: Roth hat an inszenatorischem Geschick dazugewonnen, seine außerordentlich nihilistische Inszenierung ist reibungslos aufeinander abgestimmt, Bild und Ton gehen ein beängstigendes Bündnis ein. Seinen einnehmenden Terror destilliert Hostel konsequent aus der Tatsache, dass wir hier nicht mit paranormalen, übersinnlichen, okkulten Phänomenen konfrontiert werden, sondern mit einem Schrecken, der seit jeher in unserer Gesellschaft wächst und gedeiht: Dem Kapitalismus und seiner Pervertierung.

Und meine Güte, was mag das jetzt plakativ erscheinen – doch es funktioniert fabelhaft. Hostel ist selbstredend Kino der gröberen Gangart, sich bisweilen in der Funktion eines astreinen Exploiters artikulierend. Darüber hinaus thematisiert Eli Roth die gewissenlosen Ausformungen der globalen wie geschlechtlichen Ausbeutung. Während die drei Touristen nur darauf aus sind, die Damen in den jeweiligen Städte aufgrund ihrer körperlichen Reize auszuschlachten, werden die Männern schlussendlich ausgeweidete Opfer genau dieses ausweidenden Verhaltens. Hostel verfolgt die Ausmaße der Gewalt in unserer Gesellschaft, ihre Schächte, die sich durch jede Alters- und Sozialschicht geschlagen haben. Was bleibt, sind die markerschütternden Schreie, die durch die grauen Korridore der Industrieruine hallen und die lähmende Ohnmacht, die sich in uns allen breitmacht. Da ist es auch nur eine logische, weil menschliche Reaktion, wenn man Ende zur Selbstjustiz gegriffen wird: Dass Eli Roth dieses Verhalten nicht befürwortet, ist nur richtig. In unserer von Machtphantasien dominierten Welt ist kein Platz mehr für Moralaposteltum.

Fazit

Eli Roths Abrechnung mit der profitorientierten Gesellschaft ist immer noch einer der intelligensten Genre-Beiträge des neuen Jahrtausends. Verschrien als primitiver Torture Porn, ist Hostel vor allem eine durch und durch gallige Kapitalismuskritik, die dazu noch gekonnt die Mechanismen des Exploitations-Kinos erkundet und hinterfragt.

Autor: Pascal Reis
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