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Quelle: themoviedb.org

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Als der Anführer der Maboroshi-Kamikaze-Gang seinen Rücktritt bekannt gibt und sich in etwa zeitgleich die rivalisierenden Jugend- bzw. Bikergangs der Stadt zusammenschließen wollen, missfällt dies dem rebellischen Maboroshi-Mitglied Jin. Er verweigert sich dem Zusammenschluss, ernennt sich zum neuen Anführer der Maboroshis und schart Gleichgesinnte um sich. Eine schicksalhafte Entscheidung, die nicht nur zu fliegenden Fäusten führen wird.

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Quelle: themoviedb.org

Kritik

Let’s (punk-rock and) roll

Crazy Thunder Road ist einer jener Filme, die Multitalent Takeshi Kitano als einen der zehn besten Filme aller Zeiten bezeichnet. Bei jemandem wie Kitano, der nicht nur ein bekannter Schauspieler (Battle Royale) ist, sondern u.a. auch Drehbücher (Hana-Bi) verfasst und selbst zahlreiche Filme inszenierte (Kikujiros Sommer) macht eine solche Aussage definitiv neugierig. Insbesondere da es sich bei dem von Sōgo Ishii (seit 2012 nennt er sich Gakuryû Ishii) inszenierten Crazy Thunder Road eigentlich „nur“ um dessen Abschlussarbeit für die Nihon University handelt. Sein Werk war allerdings derart gelungen, dass es von einer Produktionsfirma gekauft und national veröffentlicht wurde. Ishii gilt zudem aufgrund seiner Werke Crazy Thunder Road sowie dem zwei Jahre später erschienenen Burst City als einer der maßgeblichen Einflüsse für das Aufkommen der Cyberpunk-Bewegung in Japan. So darf durchaus die Frage in den Raum gestellt werden, ob es Werke wie Akira (egal ob Manga oder Anime) wohl ohne die beiden Filme gegeben hätte und wenn doch, wie sie wohl stilistisch ausgesehen hätten.  

Bei Crazy Thunder Road handelt es sich um einen wilden Stilmix, der mit seiner Gangthematik im ersten Moment an westliche Werke wie etwa The Warriors erinnert. Abseits zahlreicher Prügeleien, Drogen sowie dem Umherheizen auf heißen Öfen ist Ishiis Werk allerdings bedeutend tiefgründiger, als man es vorab rein vom oberflächlichen Sachverhalt her glauben würde. Auslöser für die schicksalhaften Geschehnisse in Crazy Thunder Road ist ein Treffen von Anführern rivalisierender Jugend- und Motorradgangs, das zum Ergebnis hat, dass die Kämpfe untereinander beigelegt werden und man sich zu einer großen Allianz zusammenschließt. Kurz darauf gibt Ken, Chef der Maboroshi-Kamikaze-Gang seinen Rücktritt bekannt. Grund dafür ist seine Liebe zu einer Frau. Maboroshi-Mitglied Jin kann dies alles nicht verstehen. Er weigert sich, die Veränderungen hinzunehmen und den neuen Weg zu akzeptieren. Kurzerhand ernennt er sich selbst zum neuen Anführer der Gang wobei er gleichzeitig jene Maboroshis um sich schart, die ebenfalls keine Lust auf eine friedliche Allianz haben. Sie fügen sich nicht, bleiben autonom. Jetzt heißt es sie gegen alle.

The Past, The Future, The Present

Asphalt, Beton und Stahl dominieren das anfängliche Bild. Mal intakt, mal als baufällige Ruine. Die Straßen meist menschenleer. Dazu Bars, die von bunten Neonröhren beleuchtet werden, sowie ein heruntergekommenes Fabrikgebäude, dass mit seinem siffigen und mit bunten Graffitis zugeschmiertem Interieur als Clubhaus dient. Ein industrieller Look dem, wenn die pechschwarze Nacht nur von den Lichtern der Industrieanlagen durchbrochen wird, etwas ungemein dreckig Futuristisches innewohnt. Ein tristes Ambiente, das stellenweise an italienische Endzeitfilme wie beispielsweise 2019 After the Fall of New York erinnert, jedoch viel öfter wie eine Vorstufe respektive Lite-Version von Blade Runners futuristischem Los Angeles oder Mega City One aus Judge Dredd anmutet. Nur dass Ishiis aus dem Jahr 1980 stammendes Werk eben zuerst da war. Bevölkert werden diese dystopisch anmutenden Areale von Gestalten, die sich zeitlich nur schwer zuordnen lassen. Da gibt es Lederjacken, reichlich Pomade, Haartollen, ganz so, als wären wir im Amerika der 60er-Jahre. The Wanderers lassen grüßen. Gleichzeitig sind da aber auch angemalte Gesichter, wie sie bei den Hi-Hats oder den Baseball Furies aus The Warriors vorkamen. Und dann wäre da noch eine Person mit einem Blechgestell, dass ihren Unterkiefer schmückt, was an Trap Jaw aus He-Man and the Masters of the Universe erinnert. Alles sehr verrückt, aber gleichzeitig äußerst ansprechend.

Erst später sehen wir, dass es durchaus noch andere Gebiete in der Stadt gibt, die deutlich „normaler“ beziehungsweise in der Gegenwart verortet zu sein scheinen. Und wir uns, wenn überhaupt, tendenziell in einer nicht allzu fernen Zukunft befinden. Der körnige Look des ursprünglich auf 16-mm gefilmten und erst später im Zuge der Vermarktung auf 35-mm-Film umgewandelten Materials trägt seinen Teil dazu bei, eine schön schmutzige Atmosphäre zu generieren. Die Musik mit ihren meist rockigen Klängen von Künstlern wie Shigeru Izumiya passt ebenfalls hervorragend zum Gezeigten. Dazu kommt eine Kameraführung, die mehrfach regelrecht verspielt anmutet. Etwa wenn eine Gruppe sich bespricht, wobei die Kamera mittig zwischen ihnen positioniert, sich immer schneller werdend 360° um sich selbst dreht, bis nachdem alles zu einem Brei verschwommen ist, ein Szenenübergang folgt. Oder wenn eine Szene so gefilmt wurde, dass eine Neonröhre die komplette Einstellung über den oberen Bildbereich verdeckt. Dies wirkt nicht nur ungewöhnlich, sondern verpasst der Sequenz durch diese orangefarbene „Lichtschranke“ abermals einen futuristischen Touch.

Keine Kompromisse

Ishiis Film handelt von unaufhaltbarer Veränderung, dem älter bzw. reifer werden sowie dem Zwang, sich anpassen zu müssen, um fortbestehen zu können. Seine Hauptfigur findet Crazy Thunder Road in der Person des furchtlosen Jin, der sich all dem verweigert. Er ist die personifizierte Nonkonformität mit dem unbändigen Wunsch nach Freiheit, Unabhängigkeit und dem inneren Drang aufzubegehren sowie Widerstand zu leisten. Für Ältere bzw. Menschen, die sich der Gesellschaft ergeben, indem sie sich anpassen oder längst angepasst haben, hat der junge Erwachsene Jin nur Verachtung übrig. Crazy Thunder Road ist ein Film über Rebellion im Kleinen, über das Anderssein. Dem eine tiefgreifende Punk-Attitüde innewohnt. Mit dem Bürgertum können Jin und die Überbleibsel der Maboroshi-Gang nichts anfangen. Man fühlt sich der Gesellschaft nicht zugehörig und würde in selbige so auch gar nicht passen. In vorgegebene Pfade will man sich nicht einfügen. Anders als beispielsweise in Quadrophenia oder The Wanderers spielen Szenen in der Schule, bei der Arbeit oder im Elternhaus trotz einer gewissen „Episodenhaftigkeit“ des Films überhaupt keine Rolle. Dies weckt den Eindruck, es hier mit einer Art Parallelgesellschaft zu tun zu haben, die größtenteils abseits des gesellschaftlichen Lebens stattfindet. Gleichzeitig wirft dies natürlich Fragen auf, die der Film unbeantwortet lässt. Etwa woher das Geld für Benzin oder Kneipenbesuche wohl stammen mag. Denn von Organisierter Kriminalität oder Ähnlichem ist nichts zu sehen.

Crazy Thunder Road spricht offenkundig seine Bewunderung für Jin bzw. das, was er repräsentiert, aus. Er, der sich nicht beugt, der sich widersetzt. Sich nicht fügt, sondern auflehnt. Charakterzüge, von denen er sich aller Widrigkeiten zum Trotz auch nicht abbringen lässt. Gleichzeitig wird aufgezeigt, welcher Preis dafür zu zahlen ist und dass diese Art des Widerstands nicht spurlos an einem vorübergeht, sondern kräftezehrend sowie verlustreich ist. Was das angeht, erinnert Jin an die Figur des Toni Montana aus dem Film Scarface, der auch seinen ganz eigenen Weg geht und damit gen Untergang zusteuert. Das gewalttätige Finale, auf welches die Handlung unaufhaltsam zurollt, erinnert in seiner explosiven Inszenierung in Verbindung mit einer regelrechten Flut an Angreifern ebenfalls an Scarface. Jenes aus Crazy Thunder Road mag zwar nicht ganz so fulminant erscheinen, da es (vermutlich aus Budgetgründen) nicht gleichermaßen opulent inszeniert wurde, wirkt aber aufgrund von haufenweise umherfliegendem Blei nebst dem wiederholten Einsatz einer Panzerfaust kaum minder wuchtig. Was der damals 23-jährige Ishii im Falle von Crazy Thunder Road sowohl erzählerisch als auch inszenatorisch aus dem geringen Budget und den überschaubaren Mitteln herausgeholt hat, ist schlichtweg beeindruckend. Da fallen selbst Schwächen wie etwa der stellenweise doch ein klein wenig zäh geratene Mittelteil oder manche der episodenhaften Narration geschuldete Unklarheit darüber, wie viel Zeit wohl vergangen sein mag, nicht allzu sehr ins Gewicht. 

Fazit

Mit „Crazy Thunder Road“ ist Regisseur Sōgo Ishii ein gleichermaßen genialer wie brachialer Film über Veränderung, Auflehnung sowie Nonkonformität gelungen. Seine Hauptfigur findet der Film in einem Biker, der sich nicht anpassen will, was letztendlich in einer Eskalation der Gewalt mündet. Gekleidet ist die Geschichte dabei in zumeist dystopisch anmutende Bilder, die von einer oftmals rockigen Begleitmusik untermalt werden. Wer sich für Filme über Punk-Attitüde, Biker, Gangs oder Randgruppen im Allgemeinen interessiert, dem sei „Crazy Thunder Road“ wärmstens ans Herz gelegt.

Kritik: Constantin Wieckhorst

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